Kritik an Seehofers Ausgabenvorschriften
Einige Länderchefs verteidigen Finanzausgleich, aber auch Hessen will weniger einzahlen und erwägt eine Klage
Am Sonntag soll sich der gute Christ dem Geiste des Herrn öffnen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hingegen pflegt, sich an diesem Tage häufig den Blättern des Hauses Springer zu widmen. So auch an diesem Wochenende, wo er in der »Bild am Sonntag« eine Attacke auf den Länderfinanzausgleich ritt.
Er kritisierte in seinem Gastbeitrag, einige Nehmerländer leisteten sich trotz klammer Kassen eine Reihe »staatlicher Wohltaten« wie das kostenfreie Kindergartenjahr oder die Abschaffung der Studiengebühren. Wunschgemäß provozierte er damit geharnischten Protest von anderen Länderchefs. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) wetterte gegen die »gefährliche Stimmungsmache«, sein CDU-Kollege Peter Müller aus dem Saarland wies die Äußerungen Seehofers sofort zurück. Und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) will sich von Seehofer nicht vorschreiben lassen, wofür sein Land Mittel aus dem Finanzausgleich verwendet.
Seehofers Position erscheint auf den ersten Blick isoliert und unrealistisch. Kontra bekommt er von beiden Seiten, nicht nur von der SPD. Zudem gilt der Finanzausgleich per Gesetz bis 2019. Änderungen bedürfen der Zustimmung des Bundestags und des Bundesrates. Die Fronten sind jedoch keineswegs so klar, wie sie scheinen.
In Hessen geben Grünen und SPD gerade taktische Schützenhilfe für das Ansinnen, indem sie im Landtag beantragten, dass die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gegen den Finanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht klagt. Die Richter in Karlsruhe hatten schon einmal 1999 den bestehenden Ausgleich gekippt. Die Argumentation der hessischen SPD und Grünen unterscheidet sich nicht substanziell von der Seehofers. Der Finanzausgleich biete »Fehlanreize« für die Nehmerländer, über ihre Verhältnisse zu leben, zu viel auszugeben und zu wenig zu sparen.
Zuvor hatte Kochs Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) Hessens Zahlungen in den Finanzausgleich für die wachsende Verschuldung des Bundeslandes verantwortlich gemacht. Weimar kritisierte weiterhin, dass Länder und Kommunen etwa 60 Prozent der Einnahmeausfälle, die sich aus den beabsichtigten Steuerentlastungen der Bundesregierung ergeben, tragen müssten. Hessen soll deswegen weniger Steuereinnahmen in den Ausgleich einzahlen. Wenn es dazu mit den anderen Bundesländern keine Einigung gibt, will Weimar »prüfen, ob wir den Gang vor das Bundesverfassungsgericht machen«. Nur die hessische Linksfraktion will da nicht mitspielen. Ihr Vorsitzender Willi van Ooyen kritisierte, dass hier die bundesstaatliche Solidarität angegriffen werde, anstatt die Finanzprobleme von Bund und Ländern einnahmeseitig anzupacken, etwa durch eine Wiederbelebung der Vermögensteuer.
Die Auseinandersetzung hat noch eine andere Dimension. Der ungeschmälerte Erhalt des Finanzausgleichs, einschließlich der besonderen Zuweisungen des Bundes für den Osten, war eine der wesentlichen Bedingungen für das Zustandekommen der Föderalismusreform II, mit der Bundestag und Bundesrat im Sommer 2009 die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern neu regelten. Zuvor waren Koch und Weimar in der Föderalismuskommission gescheitert, Änderungen am Finanzausgleich auf die Agenda zu setzen. Dass sie und Seehofer jetzt gegen den Finanzausgleich zündeln, stellt die föderale Finanzarchitektur, und den für ein Mindestmaß an Sozialstaatlichkeit erforderlichen Ausgleich zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Bundesländern als Ganzes in Frage.
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