Lula gibt Ahmadinedschad Rückendeckung
Brasiliens Präsident spricht sich für das Recht auf friedliche Nutzung von Atomenergie aus
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat das Recht Irans auf friedliche Nutzung von Atomenergie verteidigt. Gleichzeitig rief er seinen iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad bei dessen Besuch in Brasilien dazu auf, eine »gerechte und ausgeglichene Lösung für die Atomfrage« zu finden.
Unumstritten war der erste Staatsbesuch eines iranischen Präsidenten in Brasilien nicht. Die Visite von Mahmud Ahmadinedschad am Montag (Ortszeit) wurde von Protesten in mehreren brasilianischen Städten begleitet. Im Abgeordnetenhaus in Brasília spannte der jüdische Parlamentarier Marcelo Itagiba ein Spruchband mit den Worten »Nie wieder Holocaust« auf. Auch Ahmadinedschads angebliche Aussage aus dem Jahr 2005, dass »Israel von der Landkarte« getilgt werden solle, wurde immer wieder zitiert. »Wir vertreten Schwarze, Frauen, Homosexuelle, Juden, alle Minderheiten, die im Visier dieses Mannes sind«, sagte Isaac Soibelman (74), der zur Kundgebung in Porto Alegres Innenstadt gekommen war.
Von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva erhielt Ahmadinedschad hingegen Rückendeckung. Lula bekräftigte das Recht Irans auf die friedliche Nutzung von Atomenergie. Gleichzeitig rief er seinen iranischen Kollegen in Brasília dazu auf, »zusammen mit interessierten Ländern« weiterhin eine »gerechte und ausgeglichene Lösung für die Atomfrage« zu finden. Ebenso wie Lateinamerika solle der Nahe Osten frei von Atomwaffen werden, sagte Lula. Dann hob er das Recht der Palästinenser auf einen funktionierenden Staat und ein würdiges Leben »neben einem souveränen Staat Israel in Sicherheit« hervor. Außerdem lehne Brasilien Intoleranz und Terrorismus ab, betonte Lula: »Die brasilianische Außenpolitik ist durch das Bekenntnis zur Demokratie und zur Achtung der Vielfalt gekennzeichnet.«
Dem sonst so lockeren Präsidenten war die Anspannung bei dem umstrittenen Staatsbesuch anzumerken, in der Wortwahl hielt er sich anders als üblich streng an das Manuskript. Lächelnd war nur Ahmadinedschad zu sehen, der in Begleitung von 200 Unternehmern gekommen war.
Im Atomkonflikt sei Iran offen für eine »faire Vereinbarung«, erklärte der Staatsgast, doch im Westen mangele es an »politischem Willen« für eine Lösung. Der Vorschlag, dass Iran gering angereichertes Uran für medizinische Zwecke im Ausland aufbereiten lassen könne, stamme aus Teheran, anders als es »die westliche Propaganda« nahelege, behauptete er. Allerdings werde Iran auf Nukleartechnik auch zur Energieerzeugung nicht verzichten.
Im Kongress von Brasília attackierte der iranische Präsident die Strukturen von IWF, Weltbank und UN-Sicherheitsrat mit den Vetomächten USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China als undemokratisch. Obwohl diese fünf Staaten für einen Großteil der bewaffneten Konflikte in den letzten 60 Jahren verantwortlich seien, so Ahmadinedschad, hätten sie ein »Recht auf Immunität«.
Die Gefahr eines Militärschlags auf die iranischen Atomanlagen bezeichnete er hingegen als gering. Die Ära der militärischen Angriffe sei vorbei, meinte Ahmadinedschad, »wir befinden uns in einer Epoche des Dialogs. Waffen und Drohungen gehören der Vergangenheit an.« Er bezeichnete Lula als »guten Freund« und signalisierte Unterstützung für den Wunsch Brasiliens nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.
Seit 2002 haben sich die brasilianischen Exporte nach Iran auf über eine Milliarde Dollar verdoppelt. Zuletzt hatte Lula den israelischen Staatschef Simon Peres und den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas empfangen, Brasilien möchte sich gerne als Mittler im Nahen Osten ins Spiel bringen.
Die großen brasilianischen Medien sparten nicht mit Kritik an Lulas Iran-Diplomatie. Doch in der liberalen Tageszeitung »Folha de São Paulo« erinnerte der Journalist Clóvis Rossi an eine Begegnung, die er vor Monaten mit Robert Gibbs hatte, einem Berater von Barack Obama. Der USA-Präsident habe Lula geraten, die Handelsbeziehungen zu nutzen, um Ahmadinedschad zur ausschließlich friedlichen Nutzung von Atomkraft zu bewegen, sagte Gibbs. Zumindest Obama sehe also Brasiliens Engagement gar nicht so kritisch wie allgemein angenommen, schließt Rossi.
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