Von der Kiezposse zum internationalen Skandal

Wirbel um Filmaufführung »Warum Israel« weit über Hamburg hinaus

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Hamburger Schanzenviertel haben sich die Geister an einer Filmaufführung geschieden. Statt zu diskutieren, haben sich israel-kritische und israel-solidarische Gruppen befehdet, bis die Leinwand dunkel blieb. Die Aufführung soll nun nachgeholt werden.

Der Name B 5 steht für Brigitten-straße 5 im Hamburger Schanzenviertel. Es ist die Bezeichnung eines Treffpunkts von linken Gruppen, viele mit migrantischem Hintergrund. In der B 5 werden Solidaritätsveranstaltungen mit linken, politischen Gefangenen organisiert, Aktionen gegen Rassismus vorbereitet und es wird viel diskutiert. Doch über einen Punkt sind sich die meisten Besucher der B 5 weitgehend einig. Im Nahostkonflikt ergreifen sie Partei für die palästinensische Seite. Deswegen liegt die B 5 auch schon seit Jahren im Streit mit israel-solidarischen Gruppen, die es in Hamburg wie in vielen anderen Städten gibt. Seit dem 25. Oktober beschäftigt die Fehde im Hamburger Hinterhof nicht nur viele deutschsprachige Medien, auch in französischen und israelischen Zeitungen wird darüber berichtet.

An diesem Tag wollte die israelsolidarische Gruppe »Kritikmaximierung« im linken Programmkino b-Movie den preisgekrönten Film »Warum Israel« von Claude Lanzmann zeigen. Das Kino befindet sich nun in unmittelbarer Nachbarschaft der B 5. Dort hatte man vor allem Kritik an der veranstaltenden Gruppe und trug Bedenken den Kinobetreibern erfolglos vor. Am Tag der Filmaufführung übten sich B 5-Mitglieder in Polittheater, bauten in der Nähe des Kinos einen israelischen Checkpoint nach und als israelische Soldaten verkleidete Aktivisten verweigerten den Kinogängern den Durchgang. Es soll Rempeleien gegeben haben und nach der Version der israel-solidarischen Ohrenzeugen seien auch offen antisemitische Schimpfwörter gefallen, was von Seiten des B 5-Lagers bestritten wird.

Die Kinobetreiber und die Gruppe Kritikmaximierung verzichteten auf einen Polizeieinsatz und sagten die Filmaufführung ab. Die Hamburger Kiezposse entwickelte sich spätestens dann zum internationalen Skandal, als sich der Film-Regisseur Claude Lanzmann zu Wort meldete. »Es ist noch nie irgendwo auf der Welt die Vorführung meiner Filme verhindert worden – jetzt ist es passiert, ausgerechnet in Deutschland«, empörte sich Lanzmann. Es habe ihn besonders schockiert, dass nicht Nazis, sondern sich als links verstehende Menschen die Verhinderungsaktion veranstalteten. Lanzmann ist französischer Resistancekämpfer und war ein enger Freund von Jean-Paul Sartre. Er wurde mit dem Film »Shoah« über die Massenvernichtung der europäischen Juden weltbekannt. Sein erster Film »Warum Israel« aus dem Jahr 1973 ist alles andere als ein Propagandafilm. Lanzmann lässt dort Menschen aus verschiedenen Ländern zu Wort gekommen, die nach Israel eingewandert sind. Er fragt nach den Erfolgen, aber auch den Widersprüchen des Staates Israel.

Mittlerweile wurde im B 5-Spek- trum eingeräumt, dass der Film durchaus gezeigt werden könnte. In ersten Stellungnahmen war noch von einem »zionistischen Propagandafilm« die Rede.

Auch in der Hamburger LINKEN sorgte der Vorfall für Diskussion. Nachdem eine Arbeitsgruppe zunächst eine Stellungnahme veröffentlicht hatte, die sich mit der B 5 solidarisierte, wehrte sich die Landessprecherin Christiane Schneider gegen jeden Versuch, »die Sprengung zu rechtfertigen oder herunterzuspielen«. »Ihr politischer Zweck war es, mit dieser Provokation das Existenzrecht Israels als Zufluchtsort jüdischen Lebens demonstrativ zu bestreiten«, so Schneider.

Am 13. Dezember soll die Filmvorführung nun im b-Movie nachgeholt werden. Von Seiten des B 5-Spektrums hält man sich über weitere Aktionen bedeckt. Die sind aber angesichts des großen Medieninteresses kaum zu erwarten. Eher stellt sich die Frage, wieso man angesichts des nun spürbar gewachsenen Interesses an dem Kino mit 65 Plätzen festhalten will und nicht in eine größere Lokation wechselt. Schließlich ist die Aus-einandersetzung längst aus dem Hamburger Kiez herausgewachsen.

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