Ende des Klimaschutz-Mikados

Schwellenländer machen Druck auf Industrieländer und Gipfelgastgeber Dänemark

  • Steffen Klatt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Erfolg des Klimagipfels von Kopenhagen hängt von den Ländern ab, die in der Vergangenheit auf der Bremse gestanden haben: USA, China und Indien. Nun kommt Bewegung in die Verhandlungen. Als Schlüssel gelten die Ziele für die CO2-Reduktion.

Nach Jahren des Zögerns haben sich die USA bewegt. Sie sind bereit, bis 2020 ihren Ausstoß von Treibhausgasen um 17 Prozent zu verringern, verglichen mit 2005. Mit dieser Zusage schickt die Obama-Administration ihre Unterhändler zum UN-Klimagipfel von Kopenhagen, der kommenden Montag beginnt. Allerdings ist diese Zusage zuhause nicht vollständig abgesichert: Der US-Senat will das Klimaschutzgesetz erst im nächsten Jahr behandeln.

Das Einlenken des größten Industrielandes hat es auch China erlaubt, sich erstmals verbindliche Ziele zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes zu geben. Der CO2-Ausstoß pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts soll bis 2020 um 40 bis 45 Prozent im Vergleich zu 2005 zurückgehen. Damit haben sich die beiden größten Emittenten von Treibhausgasen von ihrer Mikado-Politik verabschiedet: Bisher vermieden beide, sich vor anderen zu bewegen. Auch Indien hat beim jüngsten Commonwealth-Gipfel angedeutet, dass es verbindliche Ziele zur Eindämmung des Kohlendioxidausstoßes akzeptieren könnte.

Die bisherigen Zugeständnisse namentlich der USA sind allerdings noch deutlich von dem entfernt, was Wissenschaftler für nötig halten, um den Anstieg der globalen Erwärmung in einem erträglichen Rahmen zu halten. Danach darf der Anstieg der Durchschnittstemperatur höchstens zwei Grad Celsius betragen. Doch dafür müsste der CO2-Ausstoß bis 2050 um 50 Prozent verringert werden – im Vergleich zu 1990, nicht zum deutlich höheren Stand von 2005. Die Industrieländer müssten dazu den Löwenanteil beitragen – und bereits in den nächsten Jahren mit ihrer Reduktion den weiteren Anstieg in den Entwicklungsländern kompensieren.

Europa sieht sich dabei als ein gelehriger Schüler der Wissenschaftler. Die EU, die Schweiz und Norwegen haben sich verpflichtet, den eigenen Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu verringern. Wenn alle Industrieländer mitspielen, ist der alte Kontinent zu einer Verringerung um 30 Prozent bereit.

Die Entwicklungs- und Schwellenländer – China eingeschlossen – verlangen aber von den Industrieländern eine Verringerung um 40 Prozent bis 2020. Die Gruppe der ärmsten Länder und der bedrohten Inselstaaten fordert sogar 45 Prozent. Ihnen ist klar, dass die Industrieländer dies zuhause nicht schaffen können. Sie hoffen deshalb auf Milliardenzahlungen, damit die Reduktionen in ihren Ländern vorgenommen werden.

Die Positionen sind so weit auseinander, dass Gastgeber Dänemark schon jetzt mit Kompromissvorschlägen versucht, den Gipfel vor dem Scheitern zu retten. Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen nimmt besondere Rücksicht auf die USA. So schlug er Mitte November vor, in Kopenhagen auf ein verbindliches Abkommen zu verzichten. Dann hätten die USA Zeit, ihr Klimaschutzgesetz zu verabschieden. Stattdessen solle nur eine politische Verpflichtung verabschiedet werden. Ende November doppelte Rasmussen nach: Am Gipfel sollte ganz auf verbindliche Ziele bis 2020 verzichtet werden. Man solle sich nur auf eine Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2050 einigen.

Den großen Schwellenländern platzte daraufhin der Kragen. Wenn das die Grundlage der Verhandlungen sein solle, dann seien sie zum Scheitern verurteilt, sagte der indische Umweltminister Jairam Ramesh. Indien, China, Brasilien und Südafrika wollen nun als Antwort auf den dänischen Vorstoß einen eigenen Vorschlag vorlegen. Und Rasmussen spricht mittlerweile doch wieder von einem »ehrgeizigen Abkommen«.

Viele Länder machen die Verhandlungen inzwischen zur Chefsache. US-Präsident Barack Obama wird auf der Reise nach Oslo, wo er am 9. Dezember den Friedensnobelpreis entgegennimmt, in Kopenhagen Station machen. Angela Merkel wird eine Woche später ebenso zur Endphase der Verhandlungen kommen wie Chinas Premier Wen Jiabao, der Brite Gordon Brown, der Franzose Nicolas Sarkozy und der Brasilianer Lula. Keiner von ihnen wird einen gescheiterten Gipfel verlassen wollen.

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