»Saubere Kohle ist eine schmutzige Lüge«
Yoe Jefferson über die sozialen Kosten des Bergbaus in Kolumbien
ND: Was hat sich für die Gemeinden seit dem Beginn des Kohleabbaus 1986 verändert?
Jefferson: Das Leben hat sich seither drastisch verändert. Bevor das Unternehmen in die Region kam, haben die Gemeinden ein sehr gutes und gesundes Leben geführt. Es gab eine lebhafte Wirtschaft und stabile Beschäftigung, auch die gesundheitlichen Bedingungen waren besser. Die Menschen lebten vor allem von der Landwirtschaft, vom Fischfang und von der Jagd. Heute ist all das nicht mehr möglich. Das Unternehmen hat die an die Dörfer grenzenden Ländereien gekauft und gesichert, sie sind jetzt Privatbesitz. Damit ist den Menschen ihre Lebensgrundlage entzogen worden – heute ist der Zutritt zum Umland und zu den Flüssen verboten, die Menschen können sich nur noch innerhalb der Ortschaften frei bewegen.
Dazu kommt, dass laut Gesetz nicht mehr in die Gemeinden innerhalb der Kohlemine investiert werden darf, weil sie das Gebiet verlassen müssen. Von dem ohnehin schon kleinen Prozentsatz des Gewinns, den das Unternehmen an das Land und die Region abführt, kommt daher bei den von Umsiedlungen betroffenen Gemeinden überhaupt nichts an. Im Gegenteil: Aufgrund des Investitionsstopps haben sich die Lebensbedingungen dort in den letzten Jahren stetig verschlechtert. In den meisten Gemeinden gibt es keine Wasserleitungen, die Straßen sind schlecht, es gibt viel zu wenig Lehrer und keine Arbeit. Der Gesundheitszustand der Bewohner hat sich ebenfalls verschlechtert.
2001 wurde auf Antrag des Unternehmens die Gemeinde Tabaco enteignet, das Dorf wurde zerstört. Wie ist die Räumung damals abgelaufen?
Das Unternehmen kam mit den Abrissmaschinen, während die Leute noch dort waren. Sie wurden gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, einige konnten ihre Habseligkeiten retten, anderen wurde das Haus mitsamt ihrem Hab und Gut zerstört und sie haben alles verloren. An diesem Tag hat es viele Verletzte auf Seiten der Gemeinde gegeben, weil sie sich gegen die Zerstörung ihrer Häuser gewehrt haben. Sie wurden von den staatlichen Sicherheitskräften angegriffen. Anwesend waren Polizei und Militär, staatliche Autoritäten und auch der private Wachschutz des Unternehmens.
Gab es einen Gerichtsprozess vor den Räumungen?
Ja, es hat einen juristischen Prozess gegeben. Allerdings ist der Einfluss des Unternehmens so groß, dass man davon ausgehen kann, dass sowohl das Gerichtsurteil als auch die lokalen und regionalen Behörden von ihm beeinflusst worden sind, damit sie die Enteignung bewilligen. Für uns ist es offensichtlich, dass die Räumungen gemeinsam von den Behörden und dem Unternehmen geplant wurden. Der damalige Geschäftsführer von Cerrejón, Hernán Martínez, ist inzwischen Bergbauminister.
Hat die Gemeinde Entschädigungen erhalten?
Das Unternehmen hat die Armut der Leute ausgenutzt, um die Gemeinde zu spalten. Einige Familien haben sich mit dem Unternehmen individuell auf eine Entschädigungssumme geeinigt. Ein anderer Teil der Familien befindet sich noch immer im Reklamationsprozess. Sie haben Widerspruch eingelegt, weil sie mit dem Angebot nicht einverstanden waren. Auch über die kollektiven Forderungen der Gemeinde, wie etwa Kompensationen in Form von nachhaltigen Projekten, ist noch keine Einigung erzielt worden. Insgesamt mussten bisher acht Gemeinden dem Unternehmen weichen. Sechs weiteren steht die Zwangsumsiedelung bevor. Betroffen sind schätzungsweise 500 Familien mit durchschnittlich je vier bis fünf Familienmitgliedern.
Was fordern die Gemeinden?
Wir fordern, dass die Zwangsumsiedlung so gerecht wie möglich gestaltet wird. Wir wollen, dass man uns in die Planungen einbezieht und dass es angemessene Entschädigungen gibt. Wir fordern, dass die bestmögliche Lösung gesucht wird, eine Lösung, die unsere Lebensqualität verbessert, denn wir verlieren einen gesamten Lebenszusammenhang, ein soziales Netz, eine Kultur und unser Territorium.
An welchem Punkt befinden sich die Gespräche?
Wir haben uns Gemeinde für Gemeinde zu verschiedenen Gelegenheiten mit dem Unternehmen zusammengesetzt. In den Gesprächen sitzen sich jedoch sehr ungleiche Partner gegenüber. Das Unternehmen verfügt im Gegensatz zu uns über professionelles Personal, Strategien und die entsprechenden finanziellen Mittel. In einem solchen Dialog ist absehbar, dass die Vereinbarung für die Gemeinden vollkommen unzureichend sein wird. Insofern stehen wir vor einer Konfrontation, denn es gibt keine Einigung über die Dinge.
Steinkohle-Importe nehmen hierzulande immer mehr zu – auch aus Kolumbien. Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit Unternehmen wie Cerrejón sowie der kolumbianische Staat ihrer Verantwortung nachkommen und die Menschenrechte einhalten?
Der Kauf von Kohle müsste an Bedingungen geknüpft werden – an die Verbesserung der Unternehmenspraktiken in den Herkunftsländern, an die Einhaltung der Menschenrechte, an das Thema der sozialen Verantwortung und an Mitspracherechte der Gemeinden innerhalb der Kohleminen. Solange diese Forderungen nicht verwirklicht sind, ist der Slogan »saubere Kohle« eine schmutzige Lüge. Wir haben große Angst, dass uns bei der Rückkehr in unsere Gemeinden Repressalien drohen. Immer wenn wir uns äußern, greift das Unternehmen zu repressiven Mitteln, etwa indem es uns öffentlich stigmatisiert. In einem so gewalttätigen Kontext wie Kolumbien reicht das aus, um jemanden stark einzuschüchtern. Wir haben Angst um unser Leben.
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