Abchasien wählt neuen Präsidenten
Wiederwahl Sergej Bagapschs ist nicht sicher
Georgien beansprucht Abchasien nach wie vor und wird dabei von der Mehrheit der westlichen Staaten unterstützt. Die erklärten daher auch die heutige Abstimmung für illegitim. Selbst die russische Beobachterdelegation ist protokollarisch erheblich niedriger angesiedelt als sonst. Nicht Parlamentsabgeordnete, sondern Vertreter der Gesellschaftskammer – eines Beratungsgremiums mit diffusen Vollmachten – werden Wahlvorgang und Stimmauszählung verfolgen. Kurz vor Abschluss der Verhandlungen mit den USA über einen Folgevertrag für das Abkommen zur Reduzierung strategischer Offensivwaffen (START) hat Moskau wenig Interesse, das Verhältnis zum Westen durch demonstrative Aufwertung Abchasiens und Südossetiens zu belasten. Deren Anerkennung nach dem Fünftagekrieg mit Georgien 2008 hatte Russlands Verhältnis sowohl zur NATO als auch zur EU gestört.
Den Wahlkampf in Abchasien verfolgte Moskau jedoch aufmerksam. Denn es ist keineswegs ausgemacht, dass der derzeitige Amtsinhaber Sergej Bagapsch bestätigt wird. Die Opposition hat vier Kandidaten nominiert, die bei der als wahrscheinlich geltenden Stichwahl ihre Wähler aufrufen wollen, den Bestplatzierten des ersten Wahlgangs zu unterstützen. Das könnte Raul Chadschimba sein. Er landete 2004, als Bagapsch nur mit knappem Vorsprung gewann, auf Platz zwei. Weil die Opposition das Ergebnis anfocht, musste die Abstimmung sogar wiederholt werden. Danach vereinbarten Bagapsch und Chadschimba eine Teilung der Kompetenzen. Chadschimba wurde Vizepräsident. Da sein Forum für Nationale Einheit Abchasiens in der Opposition blieb, lag er des Öfteren mit Präsident Bagapsch im Clinch und trat am 28. Mai offiziell von allen Ämtern zurück. Seine Gegner erklären dies vor allem mit wahltaktischen Erwägungen.
Bagapsch und Chadschimba vertreten rivalisierende Geschäftskreise. Auf die Außenpolitik der Republik dürfte das Wahlergebnis kaum Einfluss haben. Bagapsch wie Chadschimba lehnen den georgischen Dreistufenplan zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit ab, der Abchasien und Südossetien ein Höchstmaß an Autonomie zugesteht. Sie pochen auf staatliche Souveränität. Während Südossetien längerfristig die Vereinigung mit dem russischen Nordossetien anstrebt, will Abchasien lediglich ein Assoziierungsabkommen mit der Russischen Föderation und Beistand im Fall einer Aggression. 2008 wurde ein Abkommen mit Moskau unterzeichnet, das die Stationierung russischer Truppen vorsieht, die auch den Grenzschutz wahrnehmen.
Dank russischer Investitionen wurden die kriegszerstörten Kurorte am Schwarzen Meer und die nach Sotschi führende Bahnlinie wieder aufgebaut. Aus Angst vor neuen Kämpfen wagen sich bisher allerdings nur russische Touristen an die Strände. Zum Leidwesen von Politik und Geschäftswelt. Sie möchten vor allem die Türkei, wo eine starke, gut betuchte abchasische Minderheit lebt, für Investitionen gewinnen. Das würde aus Sicht von Teilen der Opposition auch den Weg für eine Diversifizierung der Politik und damit längerfristig auch für die internationale Anerkennung frei machen.
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