Von Anbauwand zum Rauchsalon
Deutsche Werkstätten Hellerau bauen exklusive Innenausstattungen
Sieben Decks hat die Jacht, deren Baupläne in den Deutschen Werkstätten Hellerau an einem Klemmbrett hängen. Auf Etage 5 wird einmal die kreisrunde Einfassung eines Oberlichts eingebaut, die in dem Unternehmen am Stadtrand von Dresden aus Alu-Profilen, Gipsplatten und edlem Holzfurnier entsteht. Sie soll den »Cigar Room« krönen, den Rauchsalon auf dem Privatdeck des Besitzers der 134-Meter-Luxusjacht. Der Innenausbau obliegt dem Unternehmen, das sich in der Branche einen exzellenten Ruf erworben hat.
Als Fritz Straub 1992 die Geschäftsführung übernahm, war die Firma »eine große Schreinerei«, sagt der 66-Jährige. Im Betrieb, der in der DDR Herzstück eines Möbelkombinats war und formschöne, begehrte Montagemöbel produzierte, gab es viele Tischler, die ihr Handwerk beherrschten, doch das Unternehmen hatte »nichts Besonderes«. Unter der Leitung Straubs besann man sich auf die ursprünglichen Tugenden der Werkstätten: »die perfekte handwerkliche Ausführung, ingenieurtechnische Expertise und ein Gefühl für Ästhetik«. Die Deutschen Werkstätten eroberten damit einen lukrativen Markt und gehören heute zu den renommierten Raumausstattern in Europa.
Ausgerüstet werden nicht nur Jachten, für die an die Schiffsform angepasste Möbel und Ausstattungsgegenstände gefertigt werden. Die Konstrukteure entwerfen auch Einrichtungen für noble Appartements in Moskau oder Vorstandsetagen großer Konzerne. Einbauschränke und Empfangstresen, Wandverkleidungen und Treppen werden an computergestützten Präzisionsmaschinen vorgefertigt. Später werden die Holzteile immer wieder lackiert und poliert, bis ihre Oberfläche spiegeln. Zum Einsatz kommen Furniere, die in einem temperierten Raum lagern und von Hölzern wie Akazie und Kirsche, aber auch dem seltenen Ebenholz Makassar stammen.
Edle Materialien und aufwendige Handarbeit belegen, dass in Hellerau keine Möbel für Massen entstehen, sondern Unikate für eine kleine Gruppe von Kunden, deren Konten gut gefüllt sein müssen: »Wir sind nicht billig«, heißt es. Damit haben sich die Werkstätten scheinbar weit entfernt von den Ideen ihres Gründers Karl Schmidt, der vor 111 Jahren seine Tischlerwerkstatt eröffnete. Er war Vorreiter bei der Entwicklung formschöner, funktionaler Möbel, die industriell hergestellt werden konnten und für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar waren. Die Serien, für die oft mit renommierten Künstlern zusammengearbeitet wurde, hießen: »Die billige Wohnung« oder »Dresdner Hausgerät«.
Dennoch sieht Klaus-Peter Arnold, einst Direktor des Dresdner Kunstgewerbemuseums und Autor eines Standardwerkes über die Hellerauer Werkstätten, den Betrieb fest in der Tradition verwurzelt. Schon Schmidt habe größten Wert »auf Qualität, Materialgerechtigkeit und moderne Entwürfe« gelegt, sagt Arnold. Zudem habe man sich auch damals nicht nur um Möbel, sondern auch um die Einrichtung »von Tapeten über Teppiche bis zu Lampen« gekümmert sowie komplette Holzhäuser entwickelt. »Man wollte das Gesamtkunstwerk«, sagt Arnold und verweist darauf, dass selbst der Ausbau von Schiffen schon früher zum Programm der Werkstätten gehörte.
Obwohl in Hellerau keine preiswerten Schränke oder Stuhlserien mehr gezimmert werden, glaubt sich auch Straub in einer Linie mit dem Gründer. Zu dessen Prinzipien gehörte es, Vorreiter beim Einsatz neuer Materialien und Techniken zu sein, was weiter eine große Rolle spielt. »Schmidt würde heute ähnlich entscheiden«, meint Straub, dessen Mitarbeiter weiter nach gewagten konstruktiven Lösungen suchen. Nun sollen Formsprache und Stil so perfektioniert werden, dass Produkte der Werkstätten wieder auf den ersten Blick erkennbar sind: »Die Leute sollen sagen: Kein Wunder, so etwas kann nur aus Hellerau kommen.«
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