Streit um Dreck aus der Dachluke

Anwohner wehren sich gegen Staub und Lärm am Stahlwerk Riesa

  • Hendrik Lasch, Riesa
  • Lesedauer: 3 Min.
Das traditionsreiche Stahlwerk ist ein großer Arbeitgeber in Riesa – aber auch eine Giftschleuder, meinen Anwohner, die mit einer Klage gegen die Ausweitung der Produktion vorgehen.

Aufgewirbelten Staub zu fotografieren, ist eine Kunst. Jörg Niederleig freilich ist ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Also gelingen ihm immer wieder beeindruckende Aufnahmen von seinem Nachbarn, dem Elbe-Stahlwerk in Riesa. Auf den Fotos steigen über der lang hingestreckten Werkhalle rote Staubwirbel und schwarze Wolken auf. Zu sehen sind glühende Schlacke, die im Freien verkippt wird, und Drecksäulen über einer Anlage, die Schrott schreddert.

Die Fotos sind quasi Beweismittel. Mit ihrer Hilfe wollen Niederleig und drei weitere Anwohner, alle Mitglieder einer Riesaer Bürgerinitiative, den aus ihrer Sicht zu hohen Dreckausstoß der Stahlhütte stoppen. Anfang Dezember verhandelte das Verwaltungsgericht in Dresden erstmals über die Klage; am 29. Januar fahren die Richter selbst ins Stahlwerk.

Werkleiter Frank Jürgen Schaefer ist zuversichtlich, dass sie dort nicht fündig werden. Sein Betrieb, der seit 1992 zur italienischen Feralpi-Gruppe gehört, sei »eines der saubersten Stahlwerke in Europa«, sagte er bei der Vorstellung eines sogenannten »Nachhaltigkeitsberichts«, der wohl nicht zufällig kurz nach Prozessbeginn erschien. Die Herstellung von Stahl werde zwar »immer mit Umweltbelastungen verbunden sein«, doch das Unternehmen bemühe sich: Eine 2006 eingebaute Entstaubungsanlage im Schmelzhaus sei von den Behörden als derzeit »beste verfügbare Technik« anerkannt.

Bis es zum Einbau solcher Anlagen kam, flog indes viel Dreck in die Luft über Riesa. Man habe das Unternehmen »nötigen« müssen, sich schrittweise »an Grenzwerte anzunähern«, räumte im vorigen Jahr der Sprecher des Regierungspräsidiums Dresden ein. Gegen dessen Genehmigung einer Kapazitätserweiterung richtet sich die Klage: Die Behörde hatte erlaubt, dass in Riesa eine Million statt zuvor 675 000 Tonnen Stahl erzeugt werden dürfen. »Bevor man über so etwas aber auch nur nachdenkt, müssen die Grenzwerte eingehalten werden«, sagt Jan Niederleig, der mit seinem Vater neben der vermeintlichen Dreckschleuder eine Firma betreibt – ironischerweise ein Handel für Reinigungsmittel.

Stahlwerk und Anwohner streiten indes nicht nur über frühere Emissionen, wegen deren Umfang der Hütte zeitweise sogar die Stilllegung drohte. Niederleig bezweifelt, dass die Grenzwerte jetzt eingehalten werden. Laut Unternehmensbericht ist das aber der Fall: 2008 seien 2,33 Tonnen Feinstaub ausgestoßen worden – ein Rückgang, obwohl die Rekordmenge von 874 000 Tonnen Stahl erzeugt wurde. Bei Dioxin werde nur 18 Prozent der erlaubten Menge von 0,1 Nanogramm je Kubikmeter Luft ausgestoßen; im Jahr insgesamt 0,1 Gramm. Vergleichswerte für die Zeit bis 2006 enthält der Bericht aber nicht.

Zur Glaubhaftigkeit der Messungen hat Niederleig Zweifel. Er verweist auf den unkontrollierten Ausstoß durch Dachluken, aber auch auf eine Luftmessstation, die auf Drängen der Anwohner vom Landesumweltamt aufgestellt wurde – im Windschatten einer Schule: »Die Werte sind verfälscht«, sagt Niederleig. Eine eigene Messanlage, die er mit Hilfe des BUND betreibt, zeigt, dass etwa die Feinstaub-Grenzwerte in diesem Jahr an 80 statt der erlaubten 35 Tage überschritten worden sind. Gemüse aus dem Garten isst die Familie seit Jahren nicht mehr: »Man weiß nicht, was man hier Tag und Nacht einatmet.«

Populär, das weiß Niederleig, ist Kritik am Konzern nicht. In der Bilanzschrift listet Feralpi akribisch auf, wie viel Löhne und Steuern in die Stadt flossen, in der das Werk jeden 20. Arbeitsplatz sichert. Zitiert wird auch eine Umfrage. An eine Luftverschmutzung durch das Stahlwerk glauben demnach nur zehn Prozent der Befragten; dass es »Wohlbefinden« schafft, sagen indes 85,9 Prozent.

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