Straßburger Gericht verurteilt Deutschland
Rückwirkende Sicherungsverwahrung widerspricht Menschenrechtskonvention
Straßburg/Berlin (dpa/ND). Laut der Entscheidung des Gerichtshofes in Straßburg muss die Bundesregierung einem mehrfach vorbestraften 52-Jährigen 50 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Berlin erwäge nun zu beantragen, dass sich die Große Kammer des Straßburger Gerichtshofes mit der Angelegenheit befasst, teilte das Bundesjustizministerium mit.
Der Mann wird seit 18 Jahren im hessischen Schwalmstadt in Sicherungsverwahrung gehalten, weil er immer noch als gefährlich gilt. Die Sicherungsverwahrung verstoße gegen den Grundsatz »keine Strafe ohne Gesetz«, da zum Zeitpunkt der Verurteilung 1986 die Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt war, befand der Gerichtshof. Diese zeitliche Begrenzung der Sicherungsverwahrung wurde in Deutschland erst 1998 aufgehoben. Der Anwalt des Inhaftierten forderte die sofortige Freilassung seines Mandanten.
Das Bundesjustizministerium will erst nach einer endgültigen Entscheidung der Großen Kammer über gesetzgeberische Folgen entscheiden. »Eine zentrale Rolle wird dabei die Frage spielen, wie auf rechtsstaatlicher Grundlage der notwendige Schutz der Bevölkerung vor notorisch gefährlichen Straftätern sichergestellt werden kann«, hieß es in der Mitteilung des Justizministeriums.
In Deutschland sind nach Angaben des Gerichtshofes etwa 70 Häftlinge in einer ähnlichen Situation. Prinzipiell ist Deutschland zur Umsetzung von Urteilen des Gerichtshofs verpflichtet. Dem Gesetzgeber bleibt es jedoch überlassen, wie das geschieht. Das Urteil vom Donnerstag war nicht abschließend – der Fall kann vor die Große Kammer des Gerichtshofs gebracht werden.
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