Überlebt hat nur die Kinoorgel
Panorama Palast Theater in Erfurt wird zum Geschäftshaus umgebaut
Das frühere Ufa- und spätere Panorama Palast Theater in der Erfurter Bahnhofstraße hat große Zeiten gesehen: 1931 als repräsentatives Kino eröffnet, verfügte das Haus über 1000 Sitzplätze, war klimatisiert, zeigte Farbfilme. Filmstars wie Hans Albers und Heinz Rühmann waren hier zu Gast. Momentan ist das Gebäude in Gerüste und Planen eingepackt. Ein »modernes Geschäftshaus« in bester Stadtlage soll hier entstehen, so die Maklerfirma. Das ist das endgültige Aus für eines der traditionsreichsten Lichtspieltheater Thüringens.
Nach dem Krieg war das Panorama Palast Theater eines der modernsten Kinos der DDR. Ein Besuch im Panorama war immer ein »erhebendes Gefühl«, erinnert sich Dietrich Heller. Vor allem die Orgel hatte es Heller angetan – ein Kleinod der für ihre Kinoorgeln berühmten Firma Welte & Söhne, das die im Krieg zerstörte Originalorgel ersetzt hatte. Das aus mehreren tausend Teilen bestehende Instrument hatte eine unglaubliche Bandbreite, die viel mehr umfasste als Vogelgezwitscher, Sturmgebraus, Telefon oder die Pfiffe einer Dampflok.
Nach der Wende gab die Bezirksfilmdirektion das Haus ab. 30 Kinogesellschaften und Einzelpersonen bewarben sich bei der Treuhand als neue Betreiber. Interessenten aus Erfurt, ehemalige DDR-Kreisfilmleiter, hätten keine Chance gehabt, erinnert sich Dagmar Wagenknecht, seit 1982 Chefin des Kinoklubs, der gleich um die Ecke liegt. Wagenknecht hat derzeit ganz andere Sorgen: Weil die Stadt kein Geld hat, kämpft das winzige kommunale Kino um sein Weiterbestehen. Hier laufen anspruchsvolle Filme, die es nicht in die großen Filmtheater schaffen.
Ohne den Kinoklub gäbe es nur noch Mainstream-Kino in Erfurt, denn von den vier großen Häusern und der Freilichtbühne, die es zur Wende in Erfurt gab, ist keines mehr übrig. Das Panorama blieb am längsten und wurde aufgepeppt. Der neue Eigentümer, die Ufa Theater AG, baute es um zu einem modernen Multiplexkino. Zur Neueröffnung 1995 war alles vom Feinsten: Neun Kinosäle mit 1950 Plätzen, neue Bestuhlung, neuestes Tonsystem. Kostenpunkt: 20 Millionen DM. Manchen hat das nicht gefallen. Das Panorama habe durch den Umbau seine Atmosphäre verloren, sagt Wagenknecht. Und natürlich war in dem schicken Ufa-Palast kein Platz für die alte Kinoorgel.
Vielleicht wollten die Besucher tatsächlich die alte Kinoästhetik nicht mehr. Einige Jahre war das Haus gut besucht. Doch 1998 gab die Stadt grünes Licht für die Errichtung eines weiteren Kinoforums – für das Panorama der Anfang vom Ende. 2001 eröffnete in unmittelbarer Nachbarschaft ein CineStar-Filmpalast mit acht Kinosälen und 2158 Sitzplätzen. Fast am selben Tag übernahm der CineStar-Eigentümer, die Kieft & Kieft Filmtheater AG, die insolvente Ufa GmbH und damit das Panorama, das in dieser Zeit Ufa-Palast hieß. Damit hatte das Lübecker Unternehmen, das nach der Wende in den neuen Bundesländern groß ins Kinogeschäft einstieg, das Monopol über die Erfurter Kinolandschaft.
Zwei Kinos so nahe beieinander, das konnte nicht gut gehen. Zwar sollte das Panorama die anspruchsvollen Kunstfilme zeigen, doch das Konzept ging nicht auf. Zudem hatte sich die Kieft & Kieft AG mit der Ufa mächtig überhoben. 2006 machte das Haus »vorübergehend« zu, wie es seinerzeit hieß – und nie wieder auf. Überlebt hat nur die Orgel: Nach aufwendiger Restaurierung ist sie heute in der Musikinstrumente-Abteilung des Leipziger Grassi-Museums zu bewundern. Manchmal finden dort Konzerte statt. Dann können sich Orgelfans wie Dietrich Heller an ihrem Klang erfreuen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.