Nicht massenkompatibel
Künstler organisieren Benefizveranstaltung für junge Flüchtlinge
ND: Sie organisieren am 27. Dezember mit verschiedenen Künstler-Kolleginnen und -Kollegen in der Fabrik Altona einen Benefizabend für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge. Sind Sie schon lange in der Flüchtlingssolidarität aktiv?
Lisa Politt: 1992 haben wir die erste Benefizveranstaltung selbst organisiert. Anfangs für die Aids-Hilfe, die ist aber heute allgemein anerkannt und erfährt breite Unterstützung aus allen Schichten. Deshalb erschien es uns sinnvoller, jugendliche Flüchtlinge zu unterstützen. Diese Gruppe ist gesellschaftlich fast völlig ausgegrenzt. Die Jugendlichen leben unter miserablen Bedingungen, sind permanentem Misstrauen und vielfältigen bürokratischen Schikanen ausgesetzt. Sie bekommen weniger Geld zum Leben als den Hartz-IV-Satz und müssen mit einem lächerlich geringen Zuschuss für sämtliche Schulmaterialien auskommen. Das ist schlichtweg unmöglich.
Gunter Schmidt: Für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ist es besonders hart, weil überhaupt nicht klar ist, wie es für sie weitergeht. Sie haben keine Familien, die sie unterstützen können, und die meisten wissen gar nicht, ob sie nach Schul- oder Berufsausbildung in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, sofern sie überhaupt hier eine Ausbildung machen können.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Aids-Benefiz und einem Solidaritätsabend mit jugendlichen Flüchtlingen?
Politt: Mit dem Thema Aids haben wir überall offene Türen eingerannt. Als wir mit dem ersten Solidaritätsabend für die jugendlichen Flüchtlinge an die Presse gingen, fragte ein Journalist: »Ach, damit die sich davon ihre Waffen kaufen können?« Wir haben den Solidargedanken in seinen Augen wohl überstrapaziert. Um mal Thomas Ebermann und Rainer Trampert zu zitieren: »Der Unterschied zwischen einem Benefiz für die Vertriebenenverbände und einem für jugendliche Flüchtlinge ist: ersteres wäre gesellschaftlich völlig akzeptiert.«
Wird das Thema am Sonntag auch inhaltlich eine Rolle spielen oder geht es in erster Linie darum, Geld zusammenzubekommen?
Schmidt: Wir werden in der Begrüßungsrede darauf eingehen, es gibt Stellwände und Stände, wo die Jugendlichen ihre Situation und die Betreuer ihre Arbeit vorstellen werden. Hauptsächlich geht es jedoch um ein Konzert, bei dem das Publikum und wir auf der Bühne Spaß miteinander haben und trotzdem der Zweck jedem klar ist. Es wird ein praller Abend – kommt alle, wir wollen euer Geld.
Früher waren politisch aktive Kunstschaffende keine Seltenheit, heute sind solche Aktivitäten eher eine Ausnahme.
Politt: Kabarett steht ja eigentlich für politische Satire. In den letzten Jahren hat sich allerdings stattdessen Comedy etabliert. Eine Kunstsparte, die nichts anderes gemacht hat, als dem Kabarett die Form zu klauen und ihm den Inhalt zu nehmen. Das ist ein Beispiel für die generelle Entpolitisierung unserer Gesellschaft.
Benefiz mit »Herrchens Frauchen«, Thomas Ebermann und Rainer Trampert, Peter Thiessen (Kante), Marco Tschiroke sowie Tuten und Blasen. So., 27.12.2009, Beginn 21 Uhr, Abendkasse u. Einlass 20 h, Fabrik, Barnerstr. 36
Spendenkonto: AWO-Jugendwohnungen, Hamburger Sparkasse, Kto. 1038/219778, BLZ 200 505 50, Stichwort »Jugendliche unbegleitete Flüchtlinge«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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