Haare werfen Wellen, Licht ist eine Flamme

Ein Fest der fotografischen Kunst: Porträts von Romy Schneider in Cottbus

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Romy Schneider (An der Küste, Quiberon 1981): Berückendes Oberflächenspiel oder rätselhafte Seelenlandschaft ...
Romy Schneider (An der Küste, Quiberon 1981): Berückendes Oberflächenspiel oder rätselhafte Seelenlandschaft ...

Romy Schneider ist in Cottbus. Die Starschauspielerin, die sich in der Zeit des Jahreswechsels stets als aufs Neue als »Sissi« beim Fernsehpublikum einprägt, wird bis Mitte Januar in einer umfangreichen Fotoausstellung im wunderschönen Kunstmuseum Dieselkraftwerk gewürdigt.

140 Aufnahmen umspannen den Lebensabschnitt von ihrem 16. bis zu ihrem 42. Lebensjahr. Die Ausstellung ist chronologisch geordnet. Sie weist zwei Schwerpunkte auf, die mit der Raumwahl korrespondieren. Die Fotos der 50er und 60er Jahre, die im ersten Stock ausgestellt sind, zeigen vor allem die Entwicklung der Tochter des Schauspieler-Ehepaares Magda Schneider und Wolf Albach-Retty zur so schönen wie rätselhaften Heldin von Zelluloid und Hochglanzpapier. Die Aufnahmen ab den späten 60er Jahren, die im zweiten Stock präsentiert werden, erlauben stärker den Einblick in das Leben einer Frau, die zwar weiter im Rampenlicht steht, deren Persönlichkeit aber immer kräftiger durch die Blitzlichtgewitter und Scheinwerferfinger dringt. Dieser Eindruck wird durch eine Reihe von Fotos, die abseits des Filmsets entstanden und die private Romy Schneider einfangen, verstärkt.

Berührend ist das letzte Bild. In einem leeren Restaurant in der Bretagne umarmt Romy Schneider im Jahr vor ihrem Tod einen knorrigen alten Mann in ländlicher Kleidung, der als »bretonischer Dichter« in der Bildlegende aufgeführt ist. Die Frau, die die Sehnsucht nach vollkommener Schönheit zumindest für ein deutsches Publikum wie keine zweite verkörperte, ruht jenseits des großen medialen Aufmerksamkeitskorridors in der persönlichen und auch künstlerischen Begegnung mit einem echten Menschen. Dies Foto von Robert Lebeck ist der bemerkenswerte Schlusspunkt einer sehr harmonisch wirkenden Ausstellung.

Den Auftakt macht eine bislang nicht publizierte Porträtserie von Herbert List aus dem Jahre 1954. Ein junges schönes, sittsam die Hände im Schoß faltendes Mädchen ist hier zu erkennen. In der erblühenden Schönheit steckt gewiss das Potenzial für einen herausragenden Lebensweg. Doch von wie vielen ähnlich schönen jungen Mädchen hat man erfahren müssen, dass sich deren Erwachsenendasein trotz der Mitgift der Natur auf enttäuschend konventionellen Bahnen vollzogen hat. Dem Rätsel Romy ist auf diesen frühen Bildern also nicht beizukommen.

Auch auf den späteren gelingt das kaum. Denn hier, etwa an der Seite von Hardy Krüger, von Schaulustigen umlagert (1959), oder in Venedig auf der Piazza San Marco der ungeteilte Gegenstand der Aufmerksamkeit von Touristen, Venezianern und selbst Tauben (1957, Foto: Max Scheler) – da ist Romy Schneider bereits der Star, dessen Wert sich an der Art und Größe der Hingabe der Normalmenschen an sie bemisst. Die Genese zur Kunstfigur, die Erscheinungsform des Gesichts als einer rätselhaften Seelenlandschaft illustrieren eindrücklich die Aufnahmen des Modefotografen F.C. Gundlach, von denen einige bis Mitte März noch in dessen Werkausstellung im Berliner Gropiusbau zu betrachten sind.

Gundlach inszeniert 1961 mit gekonntem Einsatz von Licht und Schatten auf dem feinen Antlitz der Romy Schneider ein berückendes Oberflächenspiel, das Tiefe suggeriert, die Person selbst aber in einen Kokon einspinnt. Romy Schneider wird ihr Leben lang an diesen Reizen gemessen werden.

Die im gleichen Jahr gemachten Aufnahmen von Roger Fritz zeigen indessen eine Romy Schneider, die selbstbewusst und souverän ihr Leben in die Hand nimmt, dem Lebensgefährten Alain Delon das Sakko richtet und im Dreiergespräch mit ihm und dem gemeinsamen Regisseur Luchino Visconti schelmisch lacht. Fritz, neben seinen Foto-Arbeiten selbst ein Schauspieler und Regisseur, porträtiert eine sehr lebendige Romy Schneider.

Diese Spur setzt die Theaterfotografin Helga Kneidl fort. Sie hat den Schauspielstar in den 70er Jahren auf den Straßen von Paris begleitet. Mit glatter weißer Bluse und weißer Hose ist sie eine moderne Frau in einer modernen Stadt, die sich mit der Farbwahl zwar von der intellektuell dominierenden existenzialistischen Stimmung absetzt, sie mit dem komplementären Ton aber auch aufgreift und vor allem meilenweit vom in Deutschland geprägten Erscheinungsbild entfernt ist.

Berührend ist das Spiel mit einer Flamme, das Kneidl auf dem Gesicht von Romy Schneider in Gang setzt. Das Licht der Flamme lässt ein zartes Faltennetz hervortreten. Der Schwung dieser Linien befindet sich in Resonanz mit den Wellen, die die Haare werfen. Ein aus dem Dunkel geholtes Antlitz in Bewegung ist zu bestaunen.

Die Ausstellung »Die Erinnerung ist oft das Schönste. Fotografische Porträts von Romy Schneider« ist somit nicht nur eine Hommage an die Schauspielerin, sondern auch ein Fest der fotografischen Kunst. Insgesamt neun meist sehr einflussreiche Pressefotografen (neben den bisher genannten noch Will McBride, Werner Bokelberg und Peter Brüchmann) haben ihre Arbeiten zur Verfügung gestellt. Sie demonstrieren, wie sich das dargestellte Objekt aufgrund der Perspektive und der Inszenierungsabsicht ändert. Die Ausstellung weist neben thematischer Attraktivität noch die begleitende Eigenschaft auf, wegen der Auswahl der Fotografen – Schule des Sehens zu sein.

Die Erinnerung ist oft das Schönste. Fotografische Porträts von Romy Schneider

Museum Dieselkraftwerk Cottbus, Uferstraße/Am Amtsteich 1503046 Cottbus, www.museum-dkw.de, Di-So 10-18, Do bis 20 Uhr, bis 17.1. 2010

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