Vertrieben von Schloss Siebeneichen
Die Jugendkunstschule Meißen schließt, doch die Dozenten wollen aus eigener Kraft weitermachen
Auf einem Bergsporn vor den Toren Meißens liegt das Schloss Siebeneichen. Dort trafen sich einst die Romantiker um Novalis. Später richtete der Akademiedirektor Julius Schnorr von Carolsfeld ein Vereinigungs-Fest der Leipziger und Dresdner Künstlerschaft aus. In die jüngeren Annalen des Ortes gehört die Gründung der Jugendkunstschule der Stadt und des Landkreises Meißen im Jahr 1992.
Es gelang der Jugendkunstschule seither, die jungen Talente der Region anzuziehen, zu binden und weiterzuführen. Sie schließt mit ihrer Arbeit jene Lücke im Bildungsverlauf, für die den Gymnasien weder Zeit noch Mittel zur Verfügung stehen, und in die Hochschulen noch nicht hineinwirken können.
Sommerwerkstatt im Kloster
Die Förderung durch professionelle Künstler beginnt bereits im Vorschulalter. Von den ersten Teilnehmern haben inzwischen einige ein künstlerisches Hochschulstudium mit Erfolg abgeschlossen. Neben Meißen, Radebeul, Nossen, Coswig und Weinböhla wurden auch kleinste Orte wie Krögis, Lenz, Niederau und Priestewitz betreut. Seit Jahren findet eine Sommerwerkstatt auf dem Gelände der Klosterruine zum Heiligen Kreuz statt.
Die Meißner retteten mit ihren Erfolgen die bundesweit etwas angeschlagene Reputation der Jugendkunstschulen. Als die Gemeinden solidarisch dem Trägerverein beitraten, war nicht abzusehen, dass dadurch einmal der Bock zum Gärtner werden könnte. Das sächsische Kulturraumgesetz macht die Förderung durch das Land von einer finanziellen Beteiligung der Sitzgemeinden abhängig. Jahr für Jahr musste die Geschäftsführerin der Schule deshalb in den Städten und Gemeinden für die weitere Unterstützung der Schule werben.
Die Stadt zieht sich zurück
Mit dem Erfolg der Schule und der wachsenden Teilnehmerzahl in den Kursen wuchsen die Beitragsforderungen an die Gemeinden. Die Stadt Meißen begann schließlich, sich langsam von der Jugendkunstschule zurückzuziehen, stellte trotz häufiger Nachfragen keine geeigneten Räume für die Geschäftsstelle zur Verfügung. Als ein neuer Kurs in Nossen eröffnete, kündigte die Stadt ihren – nun entsprechend erhöhten – Beitrag.
Es ist dass Verdienst der Geschäftsführerin Petra Vohland, dass die Schule schuldenfrei blieb. Aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und menschlichen Integrität vermochte sie ein breites Spektrum hervorragender Fachkräfte an die Schule zu binden. Nicht zuletzt die Kursleiter selbst haben die Jugendkunstschule indirekt mitfinanziert, indem sie für vergleichsweise niedrige Honorare arbeiteten. Im August kam es zu einem Ultimatum der Gemeindevertreter, denen die Kosten dennoch zu hoch geworden waren. Nach einigem Hin und Her erfolgte die Selbstauflösung des Trägervereins. Das »Meißner Tageblatt« sah sich veranlasst zu fragen: »Ist das Ende der Schule ein Selbstmord aus Angst vor dem Tod?«
Die Lehrbeauftragten der Schule forderten zeitig ein klärendes Gespräch. Dabei wurde ihnen der Eindruck vermittelt, die Schule würde nach der Auflösung als eigenständiger Fachbereich in der Volkshochschule im Landkreis Meißen weitergeführt. Der Geschäftsführerin, der bereits im September gekündigt worden war, hat stellte man in Aussicht, dass sie weiterhin die Jugendkunstschule in der neuen Form vertreten und betreuen werde. Spätestens Anfang Dezember jedoch entpuppte sich das Ganze als Etikettenschwindel.
Für die VHS, die sich in einem Zertifizierungsverfahren befindet, bedeutet die risikolose Übernahme der Marke »Jugendkunstschule« ein Geschenk. Die Volkshochschule erhält 190 Kursteilnehmer und gut ausgestattete und hervorragend gepflegte Werkstätten (Lithografie, Siebdruck, Keramik mit zwei Brennöfen und Holzwerkstatt), sowie für die Jugendkunstschule bestimmte Fördermittel. Die Kurse können, ohne öffentliches Aufsehen zu erregen, langsam zurückgefahren werden. Dozenten der Jugendkunstschule bekamen ihre Vertragskündigung inzwischen schon von der VHS übersandt.
Vor verschlossener Tür
Keiner der Kursleiter hält zu Beginn dieses Jahres einen Vertrag in Händen. Vor diesem Hintergrund beschlossen die Dozenten, sich nicht der Volkshochschule zur Verfügung zu stellen und die Jugendkunstschule aus eigener Kraft weiterzuführen. Dafür sind ihnen aber nun vorerst sowohl die Räume verschlossen als auch die Werkstätten entzogen.
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