Merkel verhält sich ruhig – zu ruhig?
In den Reihen der Kanzlerin wächst der Wunsch nach einem Machtwort
Berlin (dpa/AFP/ND). Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart forderte die Kanzlerin auf, in der Union durchzugreifen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) erwartet, dass Merkel bei dem Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle (FDP) in einer Woche die klare inhaltliche Führung übernimmt. Kurz vor einer Klausur des CDU-Bundesvorstands in dieser Woche warfen zudem einige Landespolitiker Merkel und der Parteispitze vor, mit einer »Wahlkampftaktik der weichen Botschaften und der gewollten Profillosigkeit« im vergangenen Jahr bei der Bundestagswahl in den CDU-Hochburgen zu massiven Verlusten beigetragen zu haben.
Die Fraktionschefs aus Hessen, Sachsen und Thüringen, Christean Wagner, Steffen Flath und Mike Mohring, sowie die brandenburgische Vizevorsitzende Saskia Ludwig forderten in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« zudem ebenso wie der rheinland-pfälzische Landeschef Christian Baldauf, wieder stärker auf die Stammwähler zuzugehen.
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wiesen solche Kritik zurück. Schavan nannte es »eigentümlich«, wenige Tage vor der Klausur solche Erklärungen abzugeben. Merkel habe mit ihrem Führungsstil in Partei und Regierung über einen langen Zeitraum Erfolg, sagte die Bildungsministerin der dpa. Gröhe in der »Bild am Sonntag«: »Scharfkantige Polarisierungen wärmen zwar das Herz der eigenen Anhänger, erleichtern aber auch dem politischen Gegner die Mobilisierung.«
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender Peter Harry Carstensen bezeichnete die Kritik als nicht gerechtfertigt. »Ohne die hohe Popularität von Angela Merkel, die sie sich gerade mit ihrem Führungsstil erarbeitet hat, hätten wir die Bundestagswahl nie gewonnen«, sagte er in einer Mitteilung aus Kiel. Der Innenexperte der Unions-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach lobte Merkel angesichts der Differenzen in der Koalition. Sie verhalte sich ruhig, und dies halte er in dieser Situation für vernünftig.
Die Opposition nutzt die Debatten zur eigenen Profilierung. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel mangelnde Führungskraft vor. Ohne die SPD als Koalitionspartner »fehlen die Ideen, da fehlt der seriöse Partner, da fehlt die Kraft, dieses Land zu führen«. Die Grünen gingen noch weiter. Parteichef Cem Özdemir schloss eine vorgezogene Wahl nicht aus. »Diese Koalition tut alles dafür, dass es zu ihrem vorzeitigen Ende kommt.« Kommentar Seite 4
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