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Rache, Gnade, Wandlung

Laura Gallego García: »Der Teppich des Dichters«

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit elf hat sie ihr erstes Buch geschrieben – 300 Seiten über ein Mädchen, das eine magische Insel bereist, auf der alles mit den Sternkreiszeichen des Horoskops zusammenhängt. Zuvor hat Laura Gallego García, Jahrgang 1977, gewiss sehr viel gelesen. Hat sich gesagt: Solche Geschichten kann ich mir auch ausdenken. Nun ist zwar besagtes Erstlingswerk nie auf den Markt gekommen, doch der Wunsch, Schriftstellerin zu sein, stand auch während ihres Hispanistik-Studiums fest. Eine fleißige junge Frau: Seit 1999 hat sie 22 Bücher veröffentlicht, die sich alle hervorragend verkauften. Und nebenbei arbeitet sie an ihrer Dissertation über den höfischen Roman im 16. Jahrhundert.

Das Muster, nach dem »Der Teppich des Dichters« gewebt ist, wird sie als Literaturwissenschaftlerin, zumindest im nachhinein, erklären können. Eine Quest, beliebt im Ritterroman: die Reise eines Menschen, der dabei verschiedene Abenteuer besteht, Erfahrungen gewinnt und zu neuer Reife gelangt, wird von ihr mit einer Frage verbunden, die sie als heutig empfindet und die sie sehr bewegt: ob jemand sich grundlegend wandeln kann.

Allgemein lässt sich das leicht bejahen, aber was ist, wenn es sich um einen echten Übeltäter, einen Verbrecher handelt, einen, der sich von niedrigsten Motiven leiten ließ und anderen schadete, sie gar vernichtete? Mörder werden gewöhnlich für lange weggesperrt, wenn nicht gar mit dem Tod bestraft. Zur Abschreckung, aber auch weil die Befürchtung besteht, dass Gewalttaten sich fortsetzen. Das Gesetz darf keinen Unterschied machen zwischen mehr oder weniger nachdenklichen Personen. Wer bereut, kann nicht einfach straffrei ausgehen.

So heißt der Prolog des Buches auch »Der Verdammte«. Walid ibn Huyr, Prinz von Kinda, wird vom Schwert eines Mannes getroffen, dessen Vater er einst auf grausame Weise vernichtete. Solche Rache an ihm, das wusste er, war nur gerecht. 180 Seiten wird man nun im Bewusstsein dieses Endes lesen, dann aber wird es eine überraschende Wendung geben. Dass dies immer möglich ist, gehört zu den Überzeugungen der Autorin, die wohl auch deshalb so großen Erfolg hat, weil sie verbreiteter Hoffnungslosigkeit widerspricht. Weil es genügend Leser gibt, die ihren Glauben an Sinnhaftigkeit gerne teilen möchten und das zumindest im Rahmen ihrer Geschichten auch können. Deshalb müssen ihre Bücher auch in fernen Welten spielen. Man übertrage Walids Fall auf einen Verbrecher aus der Franco-Ära, da wird es schon schwieriger werden.

Aber Walid ibn Huyr lebt in Arabiens vorislamischer Zeit, deren Überlieferungen Laura Gallego García studierte, was sie in einer Schlussbemerkung erklärt. Ein Königreich von Kinda und einen »Prinz der Dichter« soll es im sechsten Jahrhundert tatsächlich gegeben haben. Von Walid im Buch heißt es, er habe von Geburt an eine edle Seele besessen, sei gebildet, tapfer und ein begnadeter Dichter gewesen. Es ist der Neid, der ihm zum Verhängnis wird: Nicht er, sondern ein einfacher Teppichweber gewinnt bei einem Dichterwettstreit den Preis – ein armer Teufel – und das in Abständen auch noch mehrfach. Die Demütigung soll nun durch Demütigung gelindert werden.

Es mag eine Binsenweisheit sein, was der sterbende König seinem Sohn als letzten Rat anvertraut: »Wir sind alle verantwortlich für unsere Taten, sowohl für die guten als auch für die schlechten. Und das Leben gibt dir immer das zurück, was du gegeben hast.« Von solcherlei Sprüchen, verpackt in eine abenteuerliche Handlung, lebt das Buch, das ja nicht mehr sein will als ein Märchen.

Also wird Walid vom Glück verlassen sein und, je mehr er seine Vergangenheit durchdenkt, umso weniger auf Künftiges hoffen können. Wie die junge Autorin das beschreibt, hat es Tiefe, ist glaubwürdig, übertragbar. Um Schuld wiedergutzumachen, genügt Reue nicht. Aber wie soll es dann gelingen? Darum geht es in dieser Geschichte für Kinder wie für Erwachsene. Ein Buch, das sich leicht liest, aber, je mehr man darüber nachdenkt, durchaus nicht simpel gewirkt erscheint, sondern etwas von dem wundersamen Teppich hat, der ihm den Titel gab.

Laura Gallego García: Der Teppich des Dichters. Aus dem Spanischen von Rosemarie Griebel-Kruip. Gerstenberg. 203 S., geb., 14,90 €.

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