Internationale Haiti-Hilfe lief an
Schwierige Koordination / Zahl der Toten und Ausmaß der Zerstörungen weiter unklar
Port-au-Prince (Agenturen/ND). Die Vereinten Nationen baten am Donnerstag um schweres Räumgerät und Spürhunde, um Verschüttete zu bergen. Lebensmittel, Medizin und Wasser wurden knapp. »Die Suche nach Überlebenden hat Vorrang«, sagte Elisabeth Byrs vom UN-Koordinationsbüro für humanitäre Hilfe. »Wir arbeiten gegen die Uhr.«
Helfer beschrieben die Lage in der schwer zerstörten Hauptstadt Port-au-Prince weiter als chaotisch und unübersichtlich. Die Zahl der Opfer blieb nach wie vor unklar. Staatspräsident René Preval hatte am Mittwoch von »deutlich mehr als 100 000 Toten« gesprochen. Nach Angaben des Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, vom Donnerstag starben nach ersten Schätzungen mindestens 30 000 Menschen.
Derweil lief die internationale Hilfe an. Als schwierig erweist sich die Koordination durch die UN-Friedensmission. Laut UNO sind 3000 Soldaten und Polizisten in Port-au-Prince und Umgebung, um für ein Minimum an Ordnung zu sorgen. Doch die UN-Mission wurde selbst schwer getroffen. Beim Einsturz des UN-Hauptgebäudes in Port-au-Prince starben möglicherweise bis zu 150 Mitarbeiter, darunter auch der Chef der Mission, der Tunesier Hedi Annabi.
Der Büroleiter der Deutschen Welthungerhilfe in Haiti, Michael Kühn, bezeichnete die Lage in der Hauptstadt als dramatisch. Leichen lägen auf den Straßen, Schwerverletzte seien unversorgt und Überlebende irrten umher. »Die Leute sind sich selbst überlassen«, sagte Kühn.
Unterdessen trafen erste Hilfslieferungen aus den USA in Haiti ein. Zugleich kehrte der frühere US-Präsident George W. Bush ins Licht der Öffentlichkeit zurück. Auf Bitten des Weißen Hauses werde Bush gemeinsam mit seinem Vorgänger Bill Clinton die Hilfsbemühungen der USA für Haiti koordinieren, hieß es. Die ersten Hilfsteams aus Europa kamen am Donnerstag an. Laut EU-Kommission wollte sich als erstes ein Expertenteam von den französischen Antillen an den Bergungsarbeiten beteiligen. Rettungsfachleute aus Belgien, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien und Island sollten noch im Laufe des Donnerstags eintreffen. Hilfsangebote lägen auch aus Deutschland, Italien, Schweden, Spanien, den Niederlanden und Norwegen vor. An diesem Freitag schickt das Rote Kreuz eine mobile Klinik auf den Weg. »Ärzte ohne Grenzen« sandte 70 Mitarbeiter nach Haiti. Die Organisation plant den Aufbau eines Notkrankenhauses, nachdem ihre drei Kliniken in der Hauptstadt zerstört wurden.
Nach Angaben von UNICEF sind viele Kinder verzweifelt und stehen unter Schock. »Wir müssen jetzt alles tun, um Hunderttausende Kinder in Haiti vor einer zweiten Katastrophe durch Hunger und Krankheiten zu schützen«, erklärte Regine Stachelhaus, die Geschäftsführerin von UNICEF Deutschland. Der Gruppe Save The Children zufolge sind nach dem Beben zwei Millionen Kinder akuter Gefahr ausgesetzt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.