Raum für zivilen Ungehorsam öffnen
Klimaaktivisten resümieren den Kopenhagener Gipfel und die Folgen der Repression
Wie bewerten Sie, mit mehreren Wochen Abstand, den Klimagipfel in Kopenhagen?
Eines unserer strategischen Ziele als entstehende antikapitalistische Klimabewegung war zu zeigen, dass der UN-Gipfel nicht zur gerechten Lösung der Klimakrise beitragen würde. Im Gegensatz zu den NGOs die ein faires, rechtsverbindliches und ambitioniertes Abkommen gefordert haben, behielten wir Recht: Der Gipfel hat gefloppt.
Und wie beurteilen Sie die Proteste?
Wir haben auf eine Aktionseinheit gesetzt zwischen den eher aktionistischen Gruppen, die traditionell auf der Straße agierten, und den kritischen NGOs, die sich im Netzwerk »Climate Justice Action« zusammengetan haben. Diese neuen Bündnisse sind die Saat der zukünftigen Klimagerechtigkeitsbewegung, die wir in der Kopenhagen-Mobilisierung gelegt haben.
Wir haben es aber nicht geschafft, unsere Inhalte deutlich rüber zu bringen. Wir kamen zwar in die Medien, weil wir zu Aktionen des zivilen Ungehorsams aufgerufen haben. Aber wenn man solche Aktionen macht, dann wird oft mehr über die Form als über den Inhalt gesprochen. Wenn heute Menschen den Begriff »Klimagerechtigkeit« hören, dann wissen die meisten überhaupt nicht, was wir damit meinen: fossile Ressourcen im Boden lassen, Energiesysteme vergesellschaften, ökologische Schulden anerkennen und Reparationen zahlen. Inhaltlich ist also noch sehr viel Arbeit zu leisten.
Sie sprechen damit ein allgemeines Problem vieler sozialer Bewegungen an. Wie gelingt es, mit Aktionen seine Inhalte zu vermitteln?
Wir müssen schauen, wie wir unsere Inhalte aktionistisch umsetzen können. Wir müssen zum Beispiel versuchen, zusammen mit lokalen Bürgerinitiativen die neuen Tagebauprojekte in Brandenburg zu verhindern, das ist die aktionistische Konkretisierung einer unserer Kernforderungen: Fossile Ressourcen im Boden lassen!
Sie gehörten zu den vielen verhafteten Aktivisten. In Deutschland war die Kampagne für die Freilassung der Gefangenen stark auf Ihre Person fokussiert.
Meine Verhaftung ist relativ irrelevant in dem Kontext, denn dass sich die Polizei Leute heraussucht, die sie als Anführer identifizieren kann, das ist nichts Neues. Das Neue sind die 2000 präventiven Verhaftungen. Das hatten wir nicht in Genua, nicht in Prag, nicht in Göteborg und auch nicht in Heiligendamm. Von der Effektivität und Repressivität der dänischen Polizei war ich sehr überrascht. 2000 Verhaftungen für nichts und wieder nichts, denn präventive Verhaftungen heißt ja, Leute verhaften, die nichts getan haben.
Warum, meinen Sie, kam es zu den Verhaftungen?
Ich glaube, es geht um die Frage des zivilen Ungehorsams. Immer offensichtlicher eskaliert die Klimakrise, in deren Rahmen sogar Leute wie der NASA-Klimaforscher James Hansen oder Ex-US-Vizepräsident Al Gore zu zivilem Ungehorsam aufrufen. Andererseits gibt es eine immer stärkere Ausweitung von präventivem Polizeiverhalten, eine immer weitere Einschränkung von Bürger- und Demonstrationsrechten. Da standen wir mit Climate Justice Action im Weg, denn wir haben massenhaft und auch ziemlich effektiv aufgezeigt: Ziviler Ungehorsam ist notwendig und legitim. Es war Polizeistrategie, so viel wie möglich Leute davon abzuhalten, irgendeine Art von kollektiven Regelübertritt zu begehen. Und ich glaube, deswegen wurden wir verhaftet.
Erwarten Sie noch eine Anklage und einen Prozess?
Meine Anwältin in Dänemark hat noch nichts von Polizei und Staatsanwaltschaft gehört. Sofern es zum Prozess kommt, werden wir ihn politisch führen. Wenn uns die Polizei vorwirft, illegale Aktionen des zivilen Ungehorsams organisiert zu haben, dann sagen wir: richtig, ganz genau, das haben wir getan und das ist auch notwendig. Denn wir müssen den Raum für zivilen Ungehorsam wieder öffnen und offen halten.
»Das war der Gipfel.« Diskussionsveranstaltung mit Eva Bulling-Schröter (MdB Die LINKE), Jürgen Maier (Forum Umwelt & Entwicklung), Chris Methmann (Attac) und Tadzio Müller. Donnerstag, 21. Januar, 19.30 Uhr, ND-Gebäude, Seminarraum 1, Franz-Mehring-Platz 1, Berlin.
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