Neue Spielregeln für Banken
US-Präsident macht Reform des Finanzsystems zum Politikschwerpunkt
New York (ND-Dyer/Agenturen). Mit neuen Grenzen für Größe, Geschäftsfelder und Risiken der US- Großbanken will Präsident Barack Obama eine Neuauflage der Spekulationen verhindern, die 2008 zum Crash an der Wall Street geführt haben. Nie mehr dürfe der US-Steuerzahler zur »Geisel einer Bank« werden, die durch ihren Kollaps die gesamte Wirtschaft mit sich reißen könne, sagte Obama. Der Präsident warf dem Finanzsektor vor, durch eine »Rückkehr zu den alten Spielregeln« eine neue Krise heraufzubeschwören.
Mit den neuen Maßnahmen soll der »Geist von Glass Steagall« wieder belebt werden, sagte ein Mitarbeiter des Weißen Hauses. Dieses Gesetz aus den 1930er Jahren hatte als Reaktion auf die Große Depression das amerikanische Finanzsystem radikal verändert, wurde jedoch 1999 von Präsident Bill Clinton und der republikanischen Kongressmehrheit aufgehoben. Kritikern zufolge wurde damit erst die Überschuldungs- und Fremdfinanzierungswelle ermöglicht, die letztlich 2008 zum Kollaps von Lehman Brothers und anderer großer Finanzhäuser führte.
Präsident Obama macht damit einen neuen Schwerpunkt seiner Politik deutlich. Die Finanzreform wird um so wichtiger, als die bisherige Fokussierung auf die Gesundheitspolitik mit dem jüngsten Verlust der strategischen Mehrheit der Demokraten im US-Senat überholt ist. Außerdem sind auch die oppositionellen Republikaner bestrebt, die Macht der Großbanken einzuschränken.
Am Mittwoch konferierte Obama mit führenden Senatoren, um die Schaffung eines unabhängigen Verbraucherschutzamts für den Finanzbereich voranzutreiben, das Hypotheken, Kreditkarten und Verbraucherkredite kontrollieren soll. Vergangene Woche kündigte der Präsident zudem eine neue Steuer für die größten Banken an, mit denen ein Großteil der nicht zurückgezahlten Staatshilfen von 117 Milliarden Dollar (83 Milliarden Euro) in die Kassen des Finanzministers zurückgeholt werden soll.
Die Idee, zusätzlich zu solchen Regulierungen Größe und Risiken der Banken zu beschränken, war erstmals vom ehemaligen New Yorker Zentralbankchef Paul Volcker, jetzt Berater Obamas, geäußert worden. Verboten werden sollen Geschäfte, die Banken nicht für Kunden, sondern für sich selber tätigen, um damit Geld zu verdienen. Dabei sind in der Vergangenheit oft übermäßige Risiken eingegangen worden. Außerdem sollen die Geldinstitute nach Angaben des Weißen Hauses ihre Aktivitäten als Geschäftsbanken und Investmentbanken trennen. Keine Geschäftsbank solle etwa weiter in hochspekulative Hedgefonds investieren oder solche besitzen dürfen.
Hinter den Kulissen hatte Volcker in den vergangenen Monaten unter den Entscheidern an der Wall Street für seine Idee geworben. Auf der Seite der Obama-Vorschläge steht jetzt auch der angesehene Ökonom Henry Kaufman, der eine Investment- und Beratungsfirma leitet.
Obama räumte ein, dass er starken Widerstand im Kongress und von Lobbyistenverbänden erwarte. Er zeigte sich bereit für die Kraftprobe: »Wenn diese Leute einen Kampf wollen, dann können sie ihn mit mir haben.« Die New Yorker Börse scheint Obama einiges zuzutrauen: Sie reagierte mit einem Kurssturz von mehr als zwei Prozent auf seine Ankündigung.
Lexikon
Der Glass Steagall Act von 1933 verordnete dem Finanzsystem die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken. Der US-Gesetzgeber wollte Kunden vor riskanten Spekulationen ihrer Banken schützen. Insbesondere sollte verhindert werden, dass Banken erst in ein Industrieunternehmen investieren (etwa durch Aktienkauf) und dieses später auch noch mit riskanten Krediten versehen, die aus Einlagen von Privatbanken und kleinen Unternehmen stammen. ND
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