Heikler Posten

Michail Surabow / Russlands neuer – verspäteter – Botschafter in der Ukraine

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Russlands neuer Botschafter am Montag in Kiew landete, waren mehr Journalisten zugegen als bei Staatsbesuchen. Aus gutem Grund. Bereits im August ernannt, trat Michail Surabow sein Amt erst jetzt an, mitten im Endspurt der ukrainischen Präsidentenwahlen. In Moskau machte man für die Verspätung die antirussischen Positionen des scheidenden Präsidenten Viktor Juschtschenko verantwortlich. Gemunkelt wurde daher sogar, dass Juschtschenko in Surabows Beglaubigungsschreiben na-mentlich nicht erwähnt werde. Die Gerüchte bestätigten sich indes nicht. Das und die Tatsache, dass Surabow die Zeit zwischen Ernennung und Amtsantritt offenbar für einen Ukrainisch-Intensivkurs genutzt hat, lassen vielmehr den Schluss zu, dass Moskau auch bei den Beziehungen zu Kiew einen Neustart plant. Und das unabhängig davon, wer bei der ukrainischen Stichwahl am 7. Februar das Rennen macht: Regierungschefin Julia Timoschenko oder Oppositionsführer Viktor Janukowitsch.

Russland könnte die Gunst der Stunde – die prekären Wirtschaftsdaten der Ukraine und die daraus resultierenden sozialen Spannungen – nutzen, um seinen Unternehmen die Mehrheit an Filetstücken der ukrainischen Wirtschaft zu sichern. Surabow wird daher nicht nur als Botschafter, sondern auch als Sonderbeauftragter des Präsidenten für die wirtschaftliche Zusammenarbeit wirken.

Surabows Vorgänger auf dem Botschafterposten, der frühere Premier Viktor Tschernomyrdin, hatte in Kiew bisweilen durch undiplomatische Urteile über ukrainische Politiker Aufsehen erregt. Das wird der 56-jährige gebürtige Leningrader zu vermeiden suchen. Obwohl er sich auf früheren Positionen durchaus nicht beliebt gemacht hat. Der studierte Ingenieur, der in den 90er Jahren Generaldirektor eines Versicherungskonzerns war, stand ab 1999 dem russischen Rentenfonds vor und war von 2004 bis 2007 Minister für Gesundheit und Soziales. Die unter seiner Leitung betriebene »Monetarisierung« von Sozialleistungen rief heftige Proteste hervor und machte Surabow zum unpopulärsten russischen Politiker, weshalb er ins unauffällige Amt des Präsidentenberaters zurückgezogen wurde – bis Dmitri Medwedjew die neue Verwendung für ihn fand.

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