Totengebet im Bundestag

Bewegende Rede des israelischen Präsidenten Peres zum Holocaust-Gedenktag

  • Lesedauer: 2 Min.
Am internationalen Holocaust-Gedenktag haben der Bundestag und die Spitzen des Staates an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Im Bundestag sprach der israelische Präsident Schimon Peres.

Berlin (epd/ND). 65 Jahre nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz bezeichnete Israels Präsident Schimon Peres in einer bewegenden Gedenkrede am Mittwoch im Bundestag den Holocaust als »ewiges Warnzeichen, als Verpflichtung zur Heiligkeit des Lebens«. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) betonte das besondere Verhältnis Deutschlands zu Israel. Es sei nie normal gewesen und müsse nie normal werden, sondern bleibe von der beispiellosen historischen Erfahrung geprägt.

Der 86-jährige Schimon Peres, der seine Ansprache mit dem jüdischen Totengebet »Kaddisch« begann, erzählte in sehr persönlichen Worten von seinem Großvater, der mit der gesamten jüdischen Gemeinde von Peres Heimatort Wiszniewo im damaligen Polen und heutigen Weißrussland von den Nazis in der Synagoge verbrannt wurde. Sein Enkel war 1934 im Alter von elf Jahren gerade noch rechtzeitig nach Palästina entkommen. Zum Abschied am Bahnhof habe ihm sein Großvater gesagt: »Mein Kind, bleib' immer ein Jude.«

Der israelische Präsident appellierte an die Deutschen, die noch lebenden NS-Täter zur Verantwortung zu ziehen und ihnen eine gerechte Strafe zu erteilen. Peres sprach auch die aktuellen Bedrohungen für Israel an. Er sei der Überzeugung, dass Deutschland alles tun werde, »damit der jüdische Staat sich nie mehr alleine einer Gefahr ausgesetzt sehen muss«.

Lammert sagte, Deutschland trage eine Mitverantwortung für Israel. »Manches ist verhandelbar, das Existenzrecht Israels ist es nicht.« Je weniger Zeitzeugen es gebe, und je mehr Menschen anderer Herkunft in Deutschland lebten, desto wichtiger sei das Bewusstsein für die besondere Verantwortung Deutschlands. Er erneuere an diesem Tag das Versprechen, »dass wir nicht vergessen werden«.

Der polnische Historiker und Holocaust-Überlebende Feliks Tych thematisierte den weiter existierenden Antisemitismus nach Kriegsende. »Die moralischen Normen großer Bevölkerungsgruppen wurden bedenklich deformiert.« Tych, der versteckt und mit gefälschten Papieren den Krieg in Warschau überlebte, erinnerte an Pogrome in Polen, Ungarn und der Slowakei, in denen Überlebende des Holocaust zu dessen verspäteten Opfern geworden seien. »Der Holocaust hat in Teilen der Bevölkerung die niedrigsten Instinkte freigesetzt«, sagte der 80-Jährige.

An der Gedenkfeier im Bundestag nahmen auch Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesratspräsident Jens Böhrnsen (SPD) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, teil.

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