Merkel warb für neues Bundeswehrmandat

Bundestag debattierte »neue Afghanistan-Strategie« / Nur die LINKE für bedingungslosen Abzug

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Einen Tag vor der Afghanistan-Konferenz in London hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung den deutschen Militäreinsatz in Afghanistan verteidigt und um Unterstützung für ein neues Bundeswehrmandat geworben.

Berlin (ND-Heilig). »Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan war und ist im dringendsten Interesse der Sicherheit dieses Landes«, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. Ein einseitiger Abzug der Bundeswehr wäre ein Beispiel für Verantwortungslosigkeit. Merkel wiederholte die bereits am Vortag verkündete »neue Afghanistanstrategie«, die eine Truppenaufstockung um 850 Bundeswehrsoldaten und die annähernde Verdopplung deutscher Polizeiausbilder beinhaltet. Zudem will Schwarz-Gelb die Entwicklungshilfe von 220 Millionen auf 430 Million Euro erhöhen und ausstiegswillige Taliban-Kämpfer mit Wiedereingliederungsmillionen locken.

Die Verteidigung von Menschenrechten und Sicherheit habe ihren Preis, sagte die Kanzlerin. »Aber beides zusammen trägt unser Land.« Dem stimmten die Unionsfraktion sowie die der FDP zu. SPD-Chef Sigmar Gabriel sah »viele Gemeinsamkeiten mit dem Regierungsprogramm«. Einzig Gregor Gysi, Fraktionschef der LINKEN, verlangte einen bedingungslosen Abzug der Bundeswehr noch in diesem Jahr. Die Linksfraktion brachte einen Entschließungsantrag zum Abzug der Bundeswehr im Jahr 2010 ein, der jedoch von der Bundestagsmehrheit abgelehnt wurde.

Die Vorstellungen der Bundesregierung, die Außenminister Guido Westerwelle (FDP) heute bei der Londoner Konferenz unterbreiten wird, waren bereits am Dienstag öffentlich gemacht worden. Am Abend hatte sich Westerwelle telefonisch der Zustimmung seiner US-Kollegin Hillary Clinton versichert. Parallel dazu wurde auch der afghanische Präsident Hamid Karzai unterrichtet, der zum Besuch in Berlin weilte.

Vor einer weiteren Militarisierung des Afghanistan-Einsatzes warnen acht internationale humanitäre Organisationen in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht von ActionAid, Afghanaid, Care, Christian Aid, Trocaire, Oxfam, Concern Worldwide und dem Norwegischen Flüchtlingsrat. Viele Afghanen sagten, dass ihnen Gefahr drohe, wenn das Militär Schulen und Krankenhäuser baue, denn diese würden so zu Zielen der bewaffneten Opposition.

Kritik an den Regierungsplänen kam auch von deutschen Polizisten. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, vermutet, dass mit der Aufstockung der Polizeiausbilder ein weniger militärischer Eindruck des deutschen Engagements in Afghanistan erreicht werden soll. Er warnte davor, den Auftrag der Polizisten zu verändern, denn sie seien »kein Teil des Bürgerkriegs«. Die Polizei sei nicht bereit, Taliban zu bekämpfen.

Ablehnend argumentiert auch Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Regierung müsse zur Kenntnis nehmen, »dass wir nicht beliebig viele Kräfte für Auslandsmissionen bereitstellen können«. In Deutschland fehlten mehr als 10 000 Polizeibeamte. »Wir können nicht gleichzeitig am Hindukusch und auf dem Kurfürstendamm sein.«

Dass mehr finanzielle Mittel für den Wiederaufbau Chancen für gute Geschäfte bieten können, liest man derweil in russischen Medien. So sollten die von sowjetischen Fachkräften in Afghanistan errichteten Industrie-Einrichtungen wieder instand gesetzt werden. Medien zitierten den russischen NATO-Botschafter Dmitri Rogosin. »Unsere Ingenieure haben diese Anlagen errichtet, nun sollten sie sie auch wieder aufbauen. Die Frage soll ohne Ausschreibungen geklärt werden.« Die russischen Leistungen könnten jene finanzieren, die zur Afganistanhilfe ohne Truppen bereit sind.

Die Bundesregierung will vermutlich das neue Bundeswehr-Mandat Anfang Februar zur Abstimmung bringen. Seiten 2 und 3

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