Tödliche Hilfe oder tödlicher Handel
Entwicklungshilfe schafft nicht selten Abhängigkeit, doch der freie Markt ist keine Alternative
Dambisa Moyo polarisiert. Mit ihrem Buch »Dead Aid – Why Aid Is Not Working and How There Is a Better Way for Africa«, in dem sie die konsequente Abschaffung der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) fordert, kann sich die in Sambia aufgewachsene und in Oxford promovierte Ökonomin einer beeindruckenden öffentlichen wie institutionellen Resonanz erfreuen. Während die Nichtregierungsorganisation Oxfam den Thesen Moyos das Prädikat »grundlegend falsch« aufdrückt, sieht Evelyn Herfkens, Koordinatorin der Millennium-Entwicklungsziele bei der UNO, in dem Buch eine »große Chance« für eine öffentliche Debatte über die Wirksamkeit der EZ.
Dass Moyo mit ihrem Buch tatsächlich eine große Öffentlichkeit herzustellen vermag, bewies das Fachgespräch »Tödliche Hilfe und hilfreiche Totengräber?« am vergangenen Mittwoch. Über 200 Menschen strömten in das Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte. Geladen hatte die Stiftung Nord-Süd-Brücken in Kooperation mit dem Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) und dem Seminar für Ländliche Entwicklung der Humboldt Universität Berlin, um Moyos Buch inhaltlich vorzustellen und Potenziale und Risiken ihrer Thesen zu diskutieren. Während sich die interessierte Öffentlichkeit in den übervollen Saal drängte, fanden sich am Podium Ulrich Post, VENRO-Vorsitzender und Mitarbeiter der Welthungerhilfe, Jürgen Zattler, Unterabteilungsleiter im Entwicklungsministerium, sowie Fekadu Bekele, Entwicklungsökonom und Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin ein. Zattler wagte dann auch eine Erklärung für die große Resonanz: »Ich glaube, dass es eigene Zweifel sind, die jeder in sich trägt, der in der EZ tätig ist.«
Theo Rauch stellte zunächst die Thesen Moyos vor. Dabei betonte der Geographieprofessor, dass Moyo, die bei der Weltbank und zuletzt bei Goldman Sachs beschäftigt war, nicht als personifizierte Stimme Afrikas wahrgenommen werden dürfe, denn natürlich werde auch in den Staaten Afrikas die Sinnhaftigkeit der EZ kontrovers diskutiert. Auch sei Moyo nicht die Erste, die eine radikale Abkehr der Nord-Süd-Hilfe fordere. Sie greife lediglich Kritik auf, die etwa der britische Ökonom Peter Bauer bereits in den frühen 70er Jahren formulierte. Zwar sei die Analyse Moyos schlüssig und böte den konsequenten Alternativvorschlag, Entwicklungshilfe durch die Kräfte des Marktes zu ersetzen. Jedoch präsentiere Moyo vereinfachte Thesen und verkürzte Schlussfolgerungen, so Rauch, denn das Problem des tödlichen Handels bliebe außerhalb ihrer Betrachtung. Insofern könne Moyo als Gegenpol zu dem bekannten US-amerikanischen Entwicklungsökonomen Jeffrey Sachs verstanden werden, der mit seiner Forderung nach dem »Big Push«, also der erheblichen Erhöhung der Hilfsleistungen, eine ebenso vermeintlich simple Antwort auf die prekäre Wirtschaftssituation afrikanischer Staaten propagiert. Genau hier sieht Bekele auch einen entscheidenden Schwachpunkt in den Argumentationen von Moyo und Sachs, die Entwicklung an rein ökonomischen Indikatoren bemessen.
So kontrovers das Thema in der anschließenden Diskussionsrunde hätte diskutiert werden können, so unaufgeregt fielen dann aber die Beiträge aus. Wenige, die sich auf die Seite Moyos schlugen, dafür umso mehr Bekundungen, dass die Kritik an der EZ längst in den Institutionen angelangt sei und ihren Ausdruck in Schlagwörtern wie »Partizipation« oder »Wirksamkeit« gefunden hätte. Entwicklung könne außerdem auch nur dort erwartet werden, wo halbwegs gut regiert wird, so Ulrich Post. Diese Einstimmigkeit mag wohl vor allem auch dem Publikum geschuldet gewesen sein, das sich zum großen Teil aus Aktiven der EZ zusammensetzte. Wortmeldungen afrikanischer MigrantInnen etwa blieben aus.
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