Die Faszination der Dunkelheit
»Dark Splendor« – erste deutsche David-Lynch-Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl
Er ist einer der ganz Großen in Hollywood. Er ist sogar eine Marke. Einer der berühmten Filme des 63-jährigen David Lynch fängt mit einem abgeschnittenen Ohr auf einer Wiese an. Wer nach dieser ersten Schrecksekunde dabeibleibt, der wird das berühmte »Blue Velvet« wohl immer so in Erinnerung behalten, wie es in diesem Film von der Leinwand weht.
In die rheinische Provinz, nach Brühl, ins Max-Ernst-Museum aber hat es nicht den Regisseur, den dunklen, hintergründig verstörenden Star unter den Filmemachern, verschlagen. Sondern hier, sozusagen als Gast im Hause des großen deutschen Surrealisten, gibt Lynch sein Deutschlanddebüt als bildender Künstler, der er schon war, bevor er als Kinomann berühmt wurde. Bis Ende März kann man hier über die Auswahl von 150 seiner Bilder, Grafiken, Aquarelle, Zeichnungen, Fotos und Installationen staunen. Oder sich von dem, was sie an Assoziationen auslösen, erschrecken oder irritieren lassen.
Wenn da auf den Großformaten geschossen wird, die Messer gezückt werden oder das Blut spritzt, dann gibt es bei diesem Künstler natürlich immer eine Art Kino im Kopf gratis dazu. Das aber gleich für jugendgefährdend zu halten, hieße freilich die demonstrative Künstlichkeit bei all dem, was man zu sehen bekommt, zu unterschätzen.
Die dominiert auch da, wo »Sex and Crime« ganz offensichtlich das Thema sind. Weil die Museumsleute das wissen, haben sie sich denn auch (weise und zeitgemäß) lediglich auf eine Empfehlung zur Begleitung von Kindern durch Erwachsene beschränkt.
Das eigentliche Phänomen der Ausstellung sind aber nicht etwa zum cineastischen Gruselkabinett nachgelieferte unbewegte Bilder, sondern der gespenstische, faszinierende Wechsel zwischen den Medien, Formaten, Stimmungen und Dimensionen. Da gibt es eine Serie von kraftvoll furchtbaren Großformaten neben einer Folge von Zeichnungen auf Streichholzschachteln. Irritierend bearbeitete Aktfotos. Scheinbar mit leichter Hand hingeworfene Aquarelle. Oder eben jene begehbare Installation gleich zu Beginn der Ausstellung, zu der Lynch die Zeichnung eines seltsam verzerrt gemusterten Zimmers in die dritte Dimension erweitert hat.
Und wenn man der Aufforderung folgt und auf diverse Knöpfe tatsächlich drückt, dann gibt es die vierte Dimension von Klangsequenzen dazu, die – nun ja, diese Pointe ist wohl nicht zu vermeiden, wie aus einem Lynch-Film geborgt klingen.
Diese Brühler Ausstellung stellt dem Cineasten David Lynch einen erstaunlich souveränen bildenden Künstler an die Seite. Zumal beide ihre vitale Kraft aus dem Reich der Dunkelheit beziehen.
David Lynch – Dark Splendor. Raum Bilder Klang, Max-Ernst-Museum Brühl, bis zum 21. März 2010. Katalog.
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