Das Bankgeheimnis wankt
Schweizer Kritiker fordern den »automatischen Datenaustausch«
Nach ersten heftigen Reaktionen führender Schweizer Politiker, in denen von »staatlicher Hehlerei« die Rede war, bemüht man sich in Bern nun offenbar um Glättung der Wogen. Finanzminister Hans-Rudolf Merz erklärte am Mittwoch, er werde weiterhin das Gespräch mit Deutschland führen. Allerdings werde die Schweiz »in Fällen von Datendiebstahl jetzt und in Zukunft keine Amtshilfe leisten«.
Eigentlich hatte man in der Schweizer Politik gedacht, dass mit dem etwas kooperativeren Umgang gegenüber ausländischen Finanzbehörden seit 2009 Ruhe in die Steuerfluchtdebatte gekommen sei. Insbesondere auf internationalen Druck hin, vor allem der Obama-Regierung in den USA, hatte sich Bern bereit erklärt, Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Muster mit einigen Staaten abzuschließen, wobei die Verhandlungen mit Deutschland noch laufen. Die Schweiz taucht deshalb nicht mehr auf der schwarzen und der grauen Liste mit Steueroasen auf.
In der Schweiz gilt der Bankensektor als wichtigster Wirtschaftszweig. Verwaltet werden riesige Summen insbesondere von ausländischen Anlegern. Viele kommen vom großen Nachbarn Deutschland, es finden sich aber auch Eliten von Entwicklungsländern, die sich zu Hause hemmungslos bereichert haben. Das oberste Bundesgericht verweigerte gerade die Rückgabe der Millionen des ehemaligen Diktators Jean-Claude Duvalier an Haiti, obwohl diese zum Wiederaufbau dort dringend benötigt werden.
Der wichtigste Standortfaktor des Finanzplatzes Schweiz waren bislang neben der politischen Stabilität die sprichwörtliche Verschwiegenheit und das felsenfeste Bankgeheimnis. Dieses bekommt aber durch die Anwendung der OECD-Standards erste kleinere Lücken. Gegenüber den Ländern, mit denen neue Steuerabkommen ausgehandelt wurden, erteilen die Schweizer Behörden nun auch bei Steuerhinterziehung Auskünfte. Bislang gab es Amtshilfe nur im Falle von Steuerbetrug, also wenn Dokumente gefälscht wurden.
Experten zufolge können sich Steuerhinterzieher in der Schweiz aber immer noch weitgehend sicher fühlen. Das deutsche Finanzamt bekommt nur dann Auskünfte von dort, wenn es einen konkreten Verdacht gegen einen bestimmten Steuerbürger hat. Dies gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen. Wenn allerdings sicher geglaubte Bankdaten auf dunklen Kanälen ins Ausland gelangen, ist die Sicherheit vor Strafverfolgung in Gefahr.
Nach Ansicht von Oliver Classen von der bankenkritischen »Erklärung von Bern« zeigt die aktuelle Affäre vor allem, dass die Legitimation des Bankgeheimnisses in der Schweizer Bevölkerung stark abgenommen habe. Es gebe hier sogar eine Art »Klimawandel«. Mittlerweile sei jeder Schweizer Banker ein »potenzieller Whistle-Blower« (Hinweisgeber). Die Nachfrage aus dem Ausland nach geheimen steuerrelevanten Daten treffe auf das entsprechende Angebot. Die aktuelle Affäre werde sich daher noch häufig wiederholen. Die Reaktionen führender Politiker bezeichnet Classen als »Trauerspiel«. Auch in der Schweiz führe kein Weg daran vorbei, einen »automatischen Datenaustausch« mit ausländischen Steuerbehörden einzuführen. Eine Forderung, die sich auch im »Manifest für eine Steuerwende« findet, das von der »Erklärung von Bern« und von Attac mitinitiiert wurde. Dieses wird mittlerweile auch von der Christlich-Sozialen Partei, den Grünen und der größten Gewerkschaft des Landes unterstützt.
Das Bankgeheimnis ist ernsthaft ins Wanken gekommen. Die letzten Aufrechten wollen es daher mittels einer Volksinitiative in der Verfassung verankern lassen. Die Unterschriftenakquise läuft allerdings schleppend.
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