8 – 12 – 37,50: Kassenlotterie
Krankenkassen kündigen immer höhere Zusatzbeiträge an / Internetportal organisiert Protest
Gesundheitspolitik und Zusatzbeiträge bestimmen weiter die öffentliche Debatte. Während sich inzwischen im Internet eine Protestplattform etabliert hat, fordern weitere Kassen Zusatzbeiträge. Deren Höhe steigt schneller, als man es geglaubt hat.
Die ersten gesetzlich Krankenversicherten haben Zahlungsaufforderungen für die Zusatzbeiträge bekommen. »Die Ausgaben für Ärzte, Krankenhäuser und Arzneimittel steigen«, heißt es im Anschreiben der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) an ihre Berliner Mitglieder. »Gleichzeitig sinken die Einnahmen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise. Daher werden fast alle Krankenkassen im Laufe des Jahres einen Zusatzbeitrag erheben.« Gleichzeitig bittet die Kasse, einen Dauerauftrag über die geforderten acht Euro zu erteilen oder besser noch eine Einzugsermächtigung an die Kasse zu schicken. Wer letzteres bis zum 15. März tut, kann bei einer Verlosung »attraktive Preise« gewinnen.
Währenddessen haben auf der Internetseite des Kampagnennetzwerkes »Campact« innerhalb von drei Tagen 27 739 Menschen einen Aufruf gegen die Kopfpauschale unterschrieben. Einkommensunabhängige Krankenkassenbeiträge, wie sie der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) plane, führten dazu, dass Menschen mit geringem Einkommen die Entlastung der Besserverdienenden stemmen müssten. Ein Sozialausgleich über das Steuersystem sei angesichts leerer Kassen und angekündigter Steuersenkungen unfinanzierbar, heißt es darin. Die Gewerkschaft ver.di, der Verein Armut und Gesundheit, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -initiativen, der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten und der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte unterstützen den Aufruf. Er richtet sich an Philipp Rösler, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer.
Bei den ersten Krankenkassen überschreiten die Zusatzbeiträge für hunderttausende Versicherte die Schwelle von acht Euro. Die BKK Westfalen-Lippe nimmt zwölf Euro. Die BKK für Heilberufe erhebt den maximalen Zusatzbeitrag von einem Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens. Die Kasse habe viele jüngere Versicherte und erhalte geringere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds als Kassen mit vielen älteren, kränkeren Versicherten, begründet Jürgen Körner. Auch die Gemeinsame Betriebskrankenkasse Köln (GBK) fordert den Höchstbeitrag. Er wird bis zur Bemessungsgrenze erhoben und kann bis zu 37,50 Euro betragen. GBK-Vorstandschef Helmut Wasserfuhr findet die Ein-Prozent-Regelung sozial gerechter.
2011 könnte einzelnen Kassen sogar die Pleite drohen. Das Defizit in der Krankenversicherung werde auf 11,4 Milliarden Euro klettern, sagte der Kölner Gesundheitsökonom Eckart Fiedler auf einem Kassentreffen in Berlin. Selbst flächendeckende Zusatzbeiträge bis zu einem Prozent reichten nicht aus, um es zu decken. »Wenn die Politik nicht schnell reagiert, läuft das Ganze in eine Insolvenz vieler Kassen«, sagte der Ex-Barmer-Chef. Gesundheitsminister Rösler rief die Versicherten erneut zum Kassenwechsel auf und sah sich in den Kopfpauschalenplänen bestärkt.
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