Schwarzes Loch statt schwarzes Gold
Die Firma Caviar Creator in Mecklenburg-Vorpommern steht schon wieder zum Verkauf. Und der Chef steht vor Gericht
Es ist gar nicht einfach, Störe für die Produktion von Kaviar zu züchten. Erstens kann es nahezu 15 Jahre dauern, bis Weibchen in Gefangenschaft überhaupt den begehrten Rogen im Leib tragen. Und zweitens ist dieser Zuchtkaviar oft nicht schmackhaft. Leben die Störe nicht in Freiheit, drohen die Eier brackig und muffig zu schmecken, nicht frisch und nussig, wie es sein soll. Deshalb ist die Störzucht ein sehr schwieriges, riskantes und noch sehr junges Geschäft.
Doch der Ärger, der seit Jahr und Tag die Demminer Kaviarzuchtanlage von Caviar Creator begleitet, lässt sich beim besten Willen nicht allein damit erklären. Irgendetwas klebt an diesem Unternehmen, das ein normales Geschäftemachen unmöglich zu machen scheint.
Offenbar kann man Caviar Creator auch nicht einmal ohne Probleme verkaufen: Nachdem im Herbst die Firma Organic Aquaculture Technologies (OAT) die Anlage kurz vor deren Insolvenz erworben hatte, dauerte es gerade einmal zwei Monate, bis die Käufer vor wenigen Tagen zurücktraten – nicht ohne harte Vorwürfe an die notorisch uneinigen Alteigentümer: Diese hätten keine Grundschuldbriefe ausgestellt, hieß es. Und sie hätten auch die Betriebsrechte für die Anlage nicht übertragen. Nun werden also neue Investoren gesucht, und wenn man den Angaben von Caviar Creator glauben kann, stehen diese bereits Schlange: Vier neue Kaufinteressenten für die »weltweit größte überdachte Zuchtanlage für Störe« sollen sich gemeldet haben; darunter sollen auch Bieter aus Japan sein.
Sitz in Las Vegas
Damit gehen die Turbulenzen um die Fabrik wieder einmal in eine neue Runde. Schon seit Jahren beharken sich Anteilseigner, Geschäftsführung und allerlei Geschäftsmacher und Berater in einem schwer zu durchschauenden Konfliktfeld um die Firma; immer wieder haben sie sich gegenseitig mit Betrugsvorwürfen überzogen. 2005 war Caviar Creator gegründet worden; 200 000 Fische sollten jährlich mehrere Tonnen Kaviar produzieren, den man zu einem Kilopreis von über 650 Euro abzusetzen gedachte. Dazu wurden die Anlagen der insolventen Demminer Aal- und Streifenbarschzucht übernommen.
Seither hielt der Betrieb, dessen oberster Chef in Las Vegas firmiert, das Land auf Trab. Gegen Frank Schäfer, den Gründer der Aktiengesellschaft, liefen bald schon staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Düsseldorf, in denen es unter anderem um aggressive Anlegerwerbung durch Call-Center ging. 45 Millionen Euro sollen auch auf diese Art bei etwa 3000 Anlegern eingeworben worden sein. Die Ermittlungen zogen sich hin – und in Demmin wurde die Situation immer absurder.
Im Sommer 2008 kam dann der vorläufige Höhepunkt: Eine Gruppe von Aktionären des »1. Kaviarfonds KG», die mit Schäfer offenbar zutiefst verfeindet ist, erschien in Polizeibegleitung in Demmin und besetzte kurzerhand für mehrere Stunden die Anlage. Norbert Reegen, der »Rädelsführer« der Aktion, hielt Schäfer damals vor, ein Betrüger zu sein – vielleicht nicht ganz zu Unrecht: Der Mann ist vorbestraft, im März 2009 wurde zudem wegen Kapitalsbetrugs Anklage gegen ihn erhoben. Vor einem Jahr musste Reegen allerdings selbst eine Haftstrafe antreten – wegen eines anderweitigen Betrugsdeliktes.
Ein anderer Aufreger bezog sich auf Landesfördermittel: Caviar Creator behauptete jahrelang, das Land habe gut drei Millionen Euro »mündlich« zugesagt, was die Landesstellen allerdings bestritten. Der Streit endete vor Jahresfrist am Greifswalder Verwaltungsgericht, wo die Störzüchter unterlagen: Die Verwaltungsrichter monierten formale Fehler bei der Antragstellung. Und sie äußerten Zweifel an der Seriosität des Unternehmens, das durch seine zwischen Demmin und Las Vegas verzahnte Struktur »In-sich-Geschäfte« und Mittelabflüsse möglich mache.
In Dubai an die Börse?
Tatsächlich agierte das Unternehmen nie besonders transparent. Der den Anlegern lange versprochene Börsengang zum Beispiel, bei dem sich die vorbörslich gezeichneten Anteile hätten zu Geld machen lassen, wurde ein ums andere mal verschoben. Zuletzt sollte die Demminer Fischeierfabrik in Dubai an die Börse gebracht werden.
Doch zeitgleich zu den immer exotischeren Ankündigungen verfinsterte sich die Lage in Demmin immer schneller. Im Herbst konnten dann die Löhne für die 24 örtlichen Mitarbeiter nicht mehr bezahlt werden; es folgte die nunmehr am Widerstand renitenter Anteilseigner gescheiterte Übernahme durch die Schweizer.
Nun sollen also andere versuchen zu verhindern, dass von dem schwarzen Gold am Ende nur ein schwarzes Loch bleibt. Sicher ist allerdings nur eins: Fortsetzung folgt.
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