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Kein schöner Deutsch
Immer mal wieder stellt sich die Frage, wie der Deutsche spricht und warum. Und was er damit sagen will. Erst recht, wenn Politikerinnen und Politiker sich das Wort herausnehmen und es gefühlte drei Ewigkeiten nicht wieder hergeben. Sollten die Einlassungen mit der Formel »Ich habe deutlich gemacht« beginnen, ist besonders große Gefahr im Verzuge. Meist folgt dann ein Schachtelsatz, in dem wenigstens drei Mal »dass« vorkommt und an dessen Ende nur ein deutliches Gefühl von Unschärfe im Raume steht. Das Problem wird zugespitzt, weil hoch droben auf den Kanzeln zur Kunstlosigkeit des Satzbaus mitunter eine perfide verschleiernde Wortfindung tritt, die nun wieder beinahe kunstfertig genannt werden muss.
Ein krankes Feld ist auch aus dieser Sicht die so genannte Gesundheitspolitik. Ein ohnehin irreführender Begriff, denn was da geschieht oder geschehen soll, macht leidend und keineswegs gesund. Sofern man es überhaupt versteht. Schon die einfachsten deutschen Aussagesätze von höherer gesundheitspolitischer Ebene führen geradewegs ins Nirwana. »Wir gehen davon aus«, sprach der neue Gesundheitsminister Rösler jüngstens, »dass maximal 50 Prozent der Versicherten einen Zusatzbeitrag bekommen.« Bekommen? Die Regierung scheint jede Kostensteigerung für die Bürger nunmehr als Geschenk ihrerseits anzusehen. In Wahrheit müssen die gesetzlich Versicherten diesen Zusatzbeitrag natürlich erbringen, und was sie dafür bekommen, ist ungewiss. Vermutlich relativ kurzfristig die Mitteilung, dass die gezahlte Summe nicht ausreicht und angehoben werden muss.
Aber es geht noch besser. Im Koalitionsvertrag steht als zentrales Ziel der Gesundheitspolitik neueren Verschnitts der »einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeitrag«, vulgo Kopfpauschale. Das können nur Leute mit dem Sprachempfinden einer Ameise formuliert haben. Und gleichzeitig steckt in dem bürokratischen Monster »einkommensunabhängiger Arbeitnehmerbeitrag« viel demagogisch-kompositorische Schaffenskraft, die vermuten lässt, es könnte gar schlechtes Gewissen mit am Werke gewesen sein.
Teil eins dieses verbalen Bubenstücks: Es wird nur von den Arbeitnehmern gesprochen und damit verschleiert, dass der Arbeitgeberbeitrag auf der Höhe dieser vom Einkommen unabhängigen Summe eingefroren werden soll. Bereits bei den jetzigen Beiträgen, abhängig von der Höhe des Einkommens der Versicherten, fällt auf die Arbeitgeber weniger als die Hälfte. Kosten, die über den geplanten Festbetrag hinausgehen, sollen künftig mit Steuermitteln gestützt und/oder vom Versicherten selbst aufgebracht werden. Was nicht ganz, aber beinahe auf dasselbe hinausläuft. Ein Umverteilungsprojekt also zugunsten der Arbeitgeber, vor allem der größeren. Da würde die Kasse klingeln.
Teil zwei der Wortakrobatik: Die Kombination von »Einkommen«, das wegen Geringfügigkeit die meisten abhängig macht, mit dem positiv besetzten Begriff »unabhängig«. »Einkommensunabhängig« täuscht Gerechtigkeit vor, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Der vorgesehene Festbeitrag für alle bevorteilt nicht nur die Arbeitgeber, er geht auch eindeutig zu Lasten derer mit den geringeren Einkommen, die weniger übrig behalten als die Besserverdienenden.
Zur Ehre aller FDP-Eiferer, die Krankheit kostenmäßig möglichst individualisieren wollen, muss gesagt werden, dass Wortnebel in Sachen Gesundheitspolitik schöne Tradition ist. Erinnert sei an die kreative verbale Schöpfung »Praxisgebühr«, die eine Beitragserhöhung um jährlich bis zu 40 Euro umschrieb. Praxisgebühr zahlt man auch, wenn der Arzt ein benötigtes Rezept per Post schickt, die Praxis also gar nicht betreten werden müsste.
Bei solch gezielter Sinnverwirrung empfiehlt sich ein Blick in die Klassiker. Goethe, der als Geheimer Rat bei Hofe ein gutes Einkommen hatte, teils bei vollem Lohnausgleich ohne Arbeitszeit, wusste trotzdem, was uns kaputt macht: »Am Ende hängen wir doch ab / Von Kreaturen, die wir machten.«
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