Der Feuille-Ton ... der Anderen
Peter Michalzik beantwortet in der »Frankfurter Rundschau« die Frage, ob das Bekanntwerden von Hegemanns Copy-Paste-Technik etwas am positiven Urteil über ihr Buch ändert, mit Nein. Dennoch prognostiziert er abflauendes Käuferinteresse. Bei seiner Zunft, den Rezensenten, diagnostiziert Michalzik einen Entzauberungseffekt:
Auch für die Kritik, wir geben es gerne zu, liegt etwas Peinliches in dem Vorgang. Wer ehrlich ist, wird das Gefühl, jemandem auf den Leim gegangen zu sein, nicht verleugnen wollen.
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In der »Süddeutschen Zeitung« erkennt Willi Winkler in der gnadenlosen Vermarktung minderjähriger Autorinnen Parallelen zum Kindesmissbrauch und ärgert sich über die Geilheit älterer Literaturkritiker. Zum Casus Hegemann:
Na gut, was soll man sagen, das Mädchen ist erst siebzehn, sie kann es nicht besser.
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Einen unreifen Eindruck hinterlässt die Autorin selbst allerdings weder in ihrem Buch, noch im Interview mit der »Welt«:
Die Quellenangabe ist für mich ein ästhetisches Problem, wobei ich aber aus ethischen Gründen glaube, dass sie trotzdem richtig ist – das versäumt zu haben, hat also mit reiner Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit zu tun und mit uneingestandenem Narzissmus.
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Joachim Güntner bestätigt in der »Neuen Zürcher Zeitung« Hegemanns Selbsturteil:
Eklektizismus ist fruchtbar, das lernt man an der Volksbühne, und zum Remixen gibt die Internetgemeinde ihren Segen. Mit der These, dass wir immer schon in Zitaten reden, wenn wir den Mund aufmachen, operiert die ganze postmoderne Intertextualitäts-Theorie. Nur dass deren Vordenker im Rauschen der Texte auch den Autor untergehen sahen. So viel Selbstdemontage hat Hegemanns Ego nicht zu bieten. Ihr Lieblingswort bleibt »ich«.
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Andreas Kilb von der »FAZ« hat sich die Mühe gemacht, Airens Buch »Strobo« zu lesen, aus dem Hegemann sich bediente. Fazit:
Sie zitiert ihn, und er zitiert Benn, Burroughs und Jünger, ebenfalls ohne Fußnote. Dennoch hat Hegemann vor Airen einen entscheidenden Vorsprung. Keinen altersmäßigen, sondern einen literarischen. »Strobo« ist eine gleichmäßig dahinfließende Litanei, deren Grellheiten auf die Dauer etwas Lähmendes haben. »Axolotl Roadkill« dagegen erzählt eine Geschichte.
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