- Politik
- Zur Sache
Fragwürdige Methoden in Mittenwald
Der Verantwortliche für das Bombardement eines Tanklasters, bei dem in Afghanistan mehr als 140 Menschen starben, Oberst Georg Klein, steht zur Zeit im Untersuchungsausschuss des Bundestages unter Beschuss.
Jetzt sorgen neue Vorfälle in der Bundeswehr für Negativ-Schlagzeilen: Wie am Mittwoch bekannt wurde, mussten junge Soldaten bei den Gebirgsjägern im oberbayerischen Mittenwald bis zum Erbrechen Alkohol trinken, rohe Schweineleber essen und sich vor Kletterübungen vor Kameraden nackt machen. Das alles nur, um in der Hierarchie der Truppe aufsteigen zu können, heißt es. Die Vorfälle ereigneten sich im Juni vergangenen Jahres. Ermittelt wird nach Worten von Oberstleutnant Fred Siems, Kommandeur des Gebirgsjägerbataillon 233, seit Anfang Februar.
Der Aufschrei ist groß. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der seinen Wehrdienst Anfang der neunziger Jahre in Mittenwald abgerissen hat, verlangte: »Aufklären, abstellen und Konsequenzen ziehen.« Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Reinhold Robbe (SPD), dem die Vorfälle von einem ehemaligen Rekruten zugetragen wurden, schlug in die gleiche Kerbe: »Wenn diese Rituale mit Körperverletzung im Zusammenhang stehen und wenn Rekruten, die ja unter dem besonderen Schutz des Dienstherren stehen, misshandelt werden, dann gilt hier null Toleranz.« Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, hat Konsequenzen gefordert.
Mittenwalds Bürgermeister, Adolf Hornsteiner, trat dagegen auf die Bremse. Man müsse den Ball flach halten und die Ermittlungen der Bundeswehr abwarten, so der CSU-Mann.
Die Gebirgsjäger sind kein unbeschriebenes Blatt. Angehörige der »Elitetruppe« haben sich im Zweiten Weltkrieg – in Italien, auf dem Balkan und in Griechenland – schwerer Verbrechen schuldig gemacht. Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe marschiert jedes Jahr an Pfingsten zum Ehrenmal »Hohen Brendten« nach Mittenwald – und verherrlicht dort die dunkele Vergangenheit. Der Bundeswehr ist bekannt, was dort vor sich geht. Vergangenes Jahr war mit Heeresinspekteur Hans-Otto Budde ein hoher Bundeswehrgeneral bei dem Gebirgsjägertreffen anwesend.
Der Kameradenkreis ist im Umgang mit seinen Kritikern nicht zimperlich. Der Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Nordrhein-Westfalen, Ulrich Sander, hat wiederholt auf die Verbrechen der Gebirgsjäger aufmerksam gemacht. Und wurde von dem Kameradenkreis, sozusagen als »Belohnung« für sein antifaschistisches Engagement, vor Gericht gezerrt.
Gegen das Verbreiten ihrer revanchistischen Ideologie sind die zweifelhaften Aufnahmerituale der Gebirgsjäger nicht mehr als ein Vergehen. Deshalb sollte es zu Guttenberg nicht dabei bewenden lassen, die Aufklärung der Vorfälle zu fordern. Er muss als Verteidigungsminister dafür sorgen, dass die edelweiße »Traditionspflege« in Mittenwald ein Ende hat. Ob er dafür all seinen Mut aufbringt und seinen alten Kameraden damit vor den Köpf stößt, darf ernsthaft bezweifelt werden. Hinter seinem Mittenwald-Besuch im Frühjahr steht jedenfalls ein dickes Fragezeichen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.