Schlechte Noten für Bayerns Gymnasien

Schüler protestieren gegen hohe Stundenzahlen und Leistungsdruck

  • Leonhard Seidl, Nürnberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Gestern gab es in Bayern Zwischenzeugnisse. Und einen landesweiten Schülerstreik mit Demonstrationen in sechs Städten gegen das neue Schulsystem G8, das achtjährige Gymnasium. Am Donnerstag begann im Nürnberger Dürer-Gymnasium zudem eine Schulbesetzung.

Die Hälfte des Schuljahres ist zu Ende, da macht sich in Bayern der Unmut von Schülern, Eltern und Unterstützern Luft. Angeschlossen haben sich dem Protestbündnis Q11-Schülerstreik in Bayern unter anderem der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) und die Gymnasialeltern Bayern e.V. Der BLLV wie auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft haben sich allerdings nicht für einen Schülerstreik ausgesprochen.

Die Schüler kämpfen mit ihrem Streik gegen die hohe Stundenzahl, die sich in der Praxis um 30 Prozent erhöht habe, und protestieren gegen eine wöchentliche Arbeitsbelastung von 50 bis 60 Stunden. Sie sprechen sogar von einem Verstoß gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. Auch sei der Leistungsdruck zu hoch. Weiter fordern sie mehr Lehrer und kleinere Klassen, wie auch eine Wahlmöglichkeit zwischen dem alten neunjährigen und dem neuen G8-Schulsystem.

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärte laut Presseberichten mehrmals, das G8-Abitur sei nicht anspruchsvoller. Aber den Zeitpunkt des Streikaufrufs empfinde er als Provokation, »da mit diesem die Schulpflicht verletzt wird«. Weswegen er auf der Zentralen Demonstration in München erst nach dem offiziellen Schulschluss um 13 Uhr sprach. Julia Biermeier, die Sprecherin des Bündnisses, findet es ungerecht, dass der Minister Schüler als »kindisch und pubertierend« bezeichnet habe, die sich als kritische Bürger engagieren. Sie zeigte sich zufrieden mit der Teilnehmerzahl von circa 3000 Demonstranten, die sich nicht von ihren Rektoren und den angedrohten Strafen einschüchtern ließen.

Schon am Donnerstag besetzten Schüler in Nürnberg nach einem Beschluss der Vollversammlung die Schulturnhalle am Dürer-Gymnasium. Sie wollten damit gegen das G8-System und die nur an ihrer Schule geltende Zehn-Prozent-Regel protestieren. Wer in einem Kurs in der Oberstufe mehr als zehn Prozent der Unterrichtszeit abwesend ist, muss eine zusätzliche Prüfung ablegen, selbst wenn Atteste vorliegen.

Am Anfang handelte es sich in Nürnberg laut Presseberichten um bis zu 500 Besetzer. Die Zahl schrumpfte aber auf einen harten Kern von 40, da Schulleiter Hauenstein den Druck massiv erhöhte. Es wurde mit der Räumung durch die Polizei gedroht, die allerdings dementierte.

Jetzt müssen die Sprecher mit Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Schulausschluss rechnen, was eine Schülerin, die anonym bleiben möchte, als willkürlich empfindet, »da das Plenum die Aktion beschlossen hat«. Der Direktor war nach ihrer Meinung nicht dialogbereit und stellte sich auf dem Podium nicht den Schülern.

Dies bestätigt auch der Nürnberger Stadtratsabgeordnete der LINKEN, Hans-Joachim Patzelt, der zu vermitteln versuchte. »Hauensteins Verhalten ist skandalös. Ein Schulleiter, der sich inhaltlich nicht auf eine Diskussion einlässt und lediglich mit rechtlichen Sanktionen droht, sollte zurücktreten.« Patzelt kündigte an, den Vorfall in der nächsten Stadtratssitzung zu thematisieren. Hauenstein wollte sich gegenüber dem ND zu den Vorwürfen nicht äußern, da es sich »um ein schwebendes Verfahren handelt. Ich überlege mir, Anzeige zu erstatten.«

G8-Abitur

Um das achtjährige Gymnasium (G8) wird in Bayern seit längerer Zeit gestritten. Die Landessprecherin der bayerischen LINKEN, Eva Bulling-Schröter, erklärte dazu: »Was die Staatsregierung als Reform der Oberstufe verkauft und was in den Wahlprogrammen von CSU und FDP als Investition in die Zukunft gefeiert wurde, ist nicht nur unausgereift, sondern war von Anfang an ein Einsparungsprogramm. Die leidtragenden sind die Schülerinnen und Schülern sowie die Lehrkräfte. Zu Recht setzen sie sich mit den Aktionen gegen diese Politik zur Wehr.« Arbeitsbelastung und ständiger Prüfungsdruck spitzten den Konkurrenzkampf zu. Kreatives Lernen sei so unmöglich, befürchtet die Politikerin.

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