Neue Paramilitärs belagern Kolumbien

Regierung über Menschenrechtsbericht erbost

  • Jürgen Vogt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die kolumbianische Regierung nimmt für sich in Anspruch, die berüchtigten Paramilitärs entwaffnet zu haben. Einem jüngst vorgelegten Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge hat sich jedoch eine neue Generation ultrarechter Kämpfer herausgebildet.

Sie nennen sich Águilas Negras oder Los Paisas – Schwarze Adler oder Die Landsknechte. »Wie immer man diese Gruppen bezeichnet, ob als Paramilitärs, Banden oder anders. Ihr Einfluss auf die Menschenrechte in Kolumbien muss verringert werden«, so José Miguel Vivanco, Amerika-Direktor von Human Rigths Watch (HRW). Wie die früheren Paramilitärs, so begehen auch ihre Nachfolgegruppen entsetzliche Gräueltaten. »Das muss gestoppt werden«, so Vivanco.

Unter dem Titel »Die Erben der Paramilitärs: Das neue Gesicht der Gewalt in Kolumbien« fasst der 122-seitige Bericht die Ergebnisse einer zweijährigen Untersuchung zusammen, die vor allem in den Provinzen Urubá, Meta und Nariño, sowie in der Stadt Medellín durchgeführt wurden. HRW weist daraufhin hin, dass selbst nach den Schätzungen der kolumbianischen Polizeibehörde neue Gruppen in 24 der 32 kolumbianischen Provinzen aktiv sind und ihre Mitgliederzahl auf über 4000 geschätzt wird. Dagegen schätzt die Menschenrechtsorganisation die Zahl auf rund 10 000 Aktive. »Und wir beobachten eine passive Haltung der Regierung und einen Diskurs, der die Problematik herunterspielt«, sagte Vivanco.

Die Regierung von Präsident Álvaro Uribe hatte in den Jahren 2003 bis 2006 einen Demobilisierungsplan für 30 000 Mitglieder von paramilitärischen Gruppen in die Wege geleitet und dessen Umsetzung offiziell als erfolgreich bewertet. »Die wurden schnell durch neu auftauchende Gruppen ersetzt«, hält Vivanco dagegen. »Nahezu alle neuen Führungspersonen sind ehemalige Angehörige der Autodefensas Unidas de Colombia aus den mittleren Rängen«, konstatiert Vivanco. Zudem werden ständig neue Mitglieder rekrutiert, verhaftete Führungspersonen rasch durch neue ersetzt und die Operationsgebiete weiter ausgedehnt.

Der Bericht belegt ebenfalls, dass die Gewalt der neuen Gruppen verantwortlich ist für die zunehmende gewaltsame Vertreibung und die steigende Zahl der innerkolumbianischen Flüchtlinge seit 2004. Auch auf der politisch-institutionellen Ebene sieht HRW für die Kongresswahlen im März Gefahr im Verzug. Der Einfluss der paramilitärischen Gruppen auf die Politik beweist sich allein schon dadurch, dass gegen 20 Prozent der 2006 gewählten Vertreter in beiden Kammern des Kongresses wegen Verbindungen zu den Paramilitärs ermittelt wird oder sie bereits verurteilt sind.

Die kolumbianische Regierung hat äußerst verärgert auf den Bericht der Menschenrechtsgruppe reagiert. Die Einschätzungen von HRW beruhten auf Lügen und Spekulationen. »Human Rigths Watch hat eine ideologische Position, die keine Überprüfung unserer objektiven Informationen zulässt«, so Verteidigungsminister Gabriel Silva Luján. Ein bereits seit langem geplantes Treffen mit José Miguel Vivanco wurde abgesagt.

Der Grund für die Gereiztheit: Der US-Kongress hat noch immer nicht das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Kolumbien ratifiziert. Dagegen regt sich auch in den Vereinigten Staaten Widerstand, vor allem bei den großen Gewerkschaften. Für sie ist der Bericht eine große Hilfe.

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