Die Türkei wird zum Schwure gedrängt
Ankara soll sich in der Iran-Frage entscheiden
Die schon mehrfach angestrebte, aber mal am Desinteresse Washingtons, mal an dem Teherans gescheiterte Vermittlung soll mit einem Blitzbesuch des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu in Teheran endlich in Gang gesetzt werden. Die neue Initiative wurde unmittelbar nach einem Treffen zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und USA-Außenministerin Hillary Clinton bekannt.
Beide hatten sich am Rande eines Forums über die Beziehungen der USA zur islamischen Welt in Katar getroffen. Das Gespräch war für zwanzig Minuten geplant, dauerte aber eine Stunde, weswegen Clinton den Emir von Katar warten
ließ, was zu einer kleinen diplomatischen Krise am Rande führte. Hauptgegenstand des Gespräches zwischen Tayyp Erdogan und der Außenministerin war Iran. Nachdem dessen Präsident Mahmud Ahmadinedschad den Westen mit der Ankündigung, Uran selbst auf 20 Prozent anzureichern, düpiert hatte, will Clinton, dass die Türkei ihre Investitionen in Iran zurückfährt. Das aber ist das genaue Gegenteil von Erdogans Politik, die ökonomischen und politischen Beziehungen zu Iran auszubauen. Auch das iranische Atomprogramm wurde von Erdogan bisher pauschal verteidigt.
Ankara betont in solchen Fällen, dass die Türkei dem Westen als vermittelndes Land viel bessere Dienste erweisen könne als durch Konfrontation. Für eine derartige Rolle aber würden gute Beziehungen zu beiden Seiten gebraucht. Deshalb wird nun erneut Davutoglu losgeschickt. Der türkische Außenminister gilt als ein fähiger Diplomat, doch es ist fraglich, ob sich die Krise mit diplomatischem Geschick alleine lösen lässt.
Zuletzt hat die Türkei die Beziehungen zu ihren östlichen – islamischen – Nachbarn immer mehr ausgebaut, während sich die Beziehungen zu Israel rapide verschlechterten. Das wird von US-amerikanischer Seite mit Sorge gesehen, hat aber bisher keine Folgen für die Beziehungen zur Türkei gehabt, denn dem steht das durchaus erwünschte wachsende Ansehen des Verbündeten in der Region gegenüber. An einen kritischen Punkt gelangt diese Politik natürlich, wenn es zum Schwure kommt; wenn Ankara zum Beispiel genötigt wird, sich für oder gegen die Verhängung von Sanktionen gegen Iran zu entscheiden.
Doch das ist nicht die einzige Zwickmühle, in der die Türkei mit ihrer Iran-Politik steckt. Der Experte für türkische Außenpolitik und Iran-Kenner Cengiz Candar meint, solange es nur um die Atomfrage geht, könne die Türkei ihr Verhalten mit der von ihr angestrebten Vermittlerrolle erklären. Doch im Westen fordert man zunehmend, neben der Atomfrage auch die Menschenrechtslage, speziell die Unterdrückung der Opposition, zum Entscheidungskriterium zu machen. Nach Candars Einschätzung befindet sich die iranische Regierung innenpolitisch in einer schwierigen Lage, doch die Türkei tue so, als gebe es dieses Problem gar nicht. Dabei beruhe der Einfluss der Türkei in der Region auch auf ihrem Ansehen als demokratischer Staat. Dieses setze die Türkei damit aufs Spiel.
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