Einladung Arbeitsloser in den Krieg

Bundeswehr und Bundesagentur für Arbeit schlossen Kooperationsabkommen

  • Lesedauer: 3 Min.
Michael Schulze von Glaßer
Protestaktion der Linksjugend vor dem Jobcenter in Ahlen
Protestaktion der Linksjugend vor dem Jobcenter in Ahlen

Die Bundeswehr leidet unter einem Mangel an Personal. Der Arbeitsmarkt »leidet« unter einem Überschuss von Arbeitskräften. Was läge für die Werber des Militärs näher, als aus den Nöten eine Tugend zu machen – Nachschub für die Militärmacht Deutschland?

Wie jetzt bekannt wurde, unterzeichneten der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, und Generalmajor Wolfgang Born, Stellvertreter des Personalzentrums im Bundesverteidigungsministerium und Beauftragter der Bundeswehr für die militärische Personalgewinnung, kürzlich in Bonn eine Kooperationsvereinbarung. Ziel sei es, den vom Militär benötigten Personalbedarf zu decken – etwa 20 000 neue Rekruten benötigt die Bundeswehr jedes Jahr. Die Armee sei auf »leistungsbereite Frauen und Männer angewiesen, die bereit sind, sich zeitlich befristet den fachlichen wie persönlichen Anforderungen eines Einsatzes bei den Streitkräften zu stellen«, heißt es zum Kooperationsabkommen in der neuesten Ausgabe der Bundeswehr-Zeitung »aktuell«. Weise, selbst Oberst der Reserve, und Born betonten, auch für die Zeit nach der Soldatentätigkeit gute Möglichkeiten der Weiterbildung schaffen zu wollen.

In mittlerweile elf Städten unterhält die Bundeswehr in Arbeitsagenturen feste Büros für Wehrdienstberatungen. In bundesweit etwa 850 Arbeitsagenturen führt die Armee regelmäßig Veranstaltungen durch – meist kommt einmal im Monat der Wehrdienstberater. Die Bundeswehr profitiert bei ihren Rekrutierungsbemühungen von einer schwachen Wirtschaft, dem Verlust vieler Arbeitsplätze und der in den letzten Jahren verschärften Sozialgesetzgebung. Die ist gerade für Menschen unter 25 Jahren mit Einschränkungen und Disziplinierungen verbunden, die Menschen dieses Alters unter Umständen empfänglich für vermeintlich lukrative Angebote machen.

In Köln soll es sogar Sanktionsandrohungen gegen Arbeitslose gegeben haben, die sich weigerten, zu Bundeswehr-Rekrutierungsveranstaltungen zu gehen. Wie wichtig die Vermittlungsrolle der Arbeitsagenturen für die Armee ist, zeigt das Beispiel Hamburg: Von 328 jungen Menschen, die im Januar 2007 in der Hansestadt ihren Dienst bei der Bundeswehr antraten, waren 107 zuvor arbeitslos.

Neben einfachen Wehrdienstberatungen halten Armeeangehörige auch Vorträge über den Dienst bei den einzelnen Teilstreitkräften

In Dessau in Sachsen-Anhalt veranstaltete eine von der Arbeitsagentur gegründete Arbeitsgemeinschaft im Januar 2008 sogar eine ganze Bundeswehrwoche unter dem Motto »Entschieden gut – Gut entschieden« in ihren Räumlichkeiten – mit täglichen Armeevorträgen und Wehrdienstberatungen. Die Woche wurde im Rahmen der Initiative »JUKAM – Junge Karriere Mitteldeutschland« organisiert, die gezielt auf die Gewinnung von Zeitsoldaten für die Bundeswehr hinwirkt.

Mit der neuen bundesweiten Kooperation zwischen Arbeitsagenturen und Bundeswehr werden die Werbemaßnahmen weiter zunehmen, fürchten Militärkritiker. »Auf perfide Weise nutzt die Bundeswehr bei ihrer Werbung von Söldnern für neue Kolonialkriege die Perspektivlosigkeit junger Menschen in Zeiten von Wirtschaftskrise, Hartz IV und Ausbildungsplatzmangel«, meint die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion Ulla Jelpke. Sie bemängelt insbesondere die Einseitigkeit der Bundeswehr-Werbeveranstaltungen: »Die Wahrheit wird dabei wie immer verschwiegen: Statt beruflicher Karrieren erwarten die Soldaten bei ihrem Einsatz in Afghanistan und anderen Kriegsgebieten Tod, Trauma und Verwüstung.«

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