Vom Adel
Für Klaus Piontek
Der Anfang in Berlin, Deutsches Theater. Erste Rolle. Unten sitzt Eduard von Winterstein, fragt laut seine Frau: »Wer ist denn das?« Schlichte Erkundigung ob eines neuen Gesichts. Aber der junge Klaus Piontek fühlt sich schon kritisiert, wo er doch noch gar nichts gesagt hatte. Wird zornig, spielt hart und kalt – später wird ihm Höchstform bescheinigt. Wie viele Welten doch zwischen Ursache und Wirkung liegen; in jeder Logik, die wir hinterher beschwören, feixt der Zufall.
Klaus Piontek (Foto: Archiv) gelang die sinnfällige Einheit: Zwei, die sich hatten – Kopf und Seele. Im schwebenden Spiel wie im trittfesten Leben. Er war sechsunddreißig Jahre am Deutschen Theater Berlin. Spielte bei Besson, Dresen, wurde ein Wesentlicher in Inszenierungen von Thomas Langhoff. Führte selber Regie, etwa im unvergesslichen »Jahrmarktsfest zu Plundersweilern« von Hacks. War zuletzt der Atzbacher in Friedo Solters »Alte Meister« von Thomas Bernhard. Da kämpfte er schon gegen den Krebs – mit der Noblesse des Einsichtigen, der auch in den übermächtig werdenden Müdigkeiten nicht ablässt von dem, was noch in seinen Kräften steht. Er trug an seinem Ende – er starb 1998 – in Würde und Trauer eine Vergangenheit in sich, die ihm große Möglichkeit geworden war. Ein Sozialist britischen Zuschnitts. Der linke Lord. Spieler aus Wahrhaftigkeit, aufputzlosem Witz, reiner Sprache, einem ironisch gezügelten Pathos.
Dieser Schauspieler besaß keinen großen Verwandlungstrieb, hatte ein sehr unturnerisches, unkostümiertes Verhältnis zum Komödiantentum. Alle Form erwuchs ihm aus dem Standesgemäßen: Der Interpret steht unter der Erhabenheit von Dichtung. Raffiniert: Dienend steigerte er sich in den Adel des Berufs, knechtend wurde er König. War Piontek je König? Er war weit hinterlistiger, sagte: »Lieber Erster in Verona als Zweiter in Rom.« Er mied die Rampe, aber strahlte weit.
Am Sonntag wäre Klaus Piontek fünfundsiebzig geworden.
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