Palastrevolte in Hannover
Die Umbaupläne für Niedersachsens Landtag stoßen auf Widerstand
Einen »Tempel mit modernen Baumaterialien« nennt der Kölner Architekt Eun Young Yi sein Modell für den niedersächsischen Landtag. Ein transparenter Pavillon der Demokratie, »schlank und schön wie Claudia Schiffer«. Im Land selbst kommt das palastartige Modell, das gerade den Wettbewerb zur Neugestaltung des Plenarsaalgebäudes in Hannover gewann, dagegen offenbar weniger gut an. Die »Freien Wähler« etwa, kommunal die drittstärkste Kraft, drohen mit einem Bürgerbegehren dagegen. Der Bund der Steuerzahler sieht es schon seit Jahren ähnlich kritisch.
Witwe droht mit Klage
»Dieser Glaskasten kostet uns 45 Millionen«, griff bald die niedersächsische »Bild«-Zeitung die Emotionen auf; seither gibt es Absetzbewegungen im CDU/FDP-Regierungslager. FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke sprach schon mal von »enttäuschenden Entwürfen«. Bis Dienstagabend wollten sich die Fraktionen nun endgültig eine Meinung bilden, entschieden wird demnächst im Bauausschuss.
Klar ist die Lage bei Linkspartei und Grünen, beide lehnen den Abriss ab. Aber auch aus der SPD hieß es zuletzt, es setze sich ein Nein durch. Das ist nicht unwichtig, denn für die Freigabe der 45 Millionen Euro im November hatte sich Schwarz-Gelb der SPD versichert. Doch in der Praxis ist alles noch schwieriger. Einmal steht das alte Parlamentsgebäude schon seit 1983 unter Denkmalschutz. Mit einem Abriss, den der Landtag im Sinne des »öffentlichen Interesses« dennoch beschließen könnte, nähme sich der Staat heraus, was er Privaten streng verbietet. Nicht nur Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel argumentiert mit diesem Widerspruch. Zweitens hat das Gebäude, das von Dieter Oesterlen zwischen 1957 und 1962 an das Leine-schloss angebaut wurde und als Klassiker der westdeutschen Nachkriegsmoderne gilt, in Hannover eine starke Lobby.
Eva Oesterlen, die Witwe des Architekten, droht mit Klagen gegen jede »entstellende Veränderung« des Baus. Dass die Dame mit ihrem Ärger nicht alleine ist, musste letzte Woche etwa Dirk Toepffer feststellen, CDU-Chef von Hannover und Mitglied des Landtages. Auf einer Veranstaltung sah er sich mit 400 teils erzürnten Diskutanten konfrontiert, fast alle Gegner eines Abrisses.
Am Ende signalisierte Toepffer Entgegenkommen: Gelernt habe er, dass man die Bürger besser beteiligen müsse. Die aber verabschiedeten anschließend eine »Resolution«: Der Landtag solle »das öffentliche Interesse« an einem Abriss doch einmal »ausführlich darlegen«. Eine Zwickmühle besonders für die CDU: Ein Zurückrudern würde das wenig harmonische Bild noch verstärken, welches die Partei gerade bietet.
Vergessener Wettbewerb
Ein Beharren auf dem Abriss aber ließe die Union nicht nur weitgehend alleine dastehen – durch das Andauern des Streits käme auch etwas anderes erneut zur Sprache: Schon die SPD-Regierung hatte 2002 nämlich einen Wettbewerb zum Plenargebäude durchgeführt. Gewonnen hatte damals das einheimische Büro Koch/Panse mit einem maßvollen Ausbau des Oesterlen-Baus. Offiziell kassiert worden sei die Vergabe nie, sagen zumindest Abrissgegner. Gestoppt wurden die Pläne seinerzeit aus Kostengründen. Es ging um 21 Millionen Euro.
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