Weltall präziser vermessen
Gravitationslinseneffekt ergibt: Universum ist 13,75 Milliarden Jahre alt
Mit bislang ungekannter Präzision hat ein deutsch-amerikanisches Forscherteam das Alter des Universums bestimmt: Demnach entstand das Weltall vor ziemlich genau 13,75 Milliarden Jahren. »Maximal 170 Millionen Jahre älter oder 150 Millionen Jahre jünger«, sagt Studienleiterin Sherry Suyu vom Institut für Astronomie der Universität Bonn. Zudem bestätigt die Untersuchung die Existenz der rätselhaften Dunklen Energie, aus der laut Berechnung fast drei Viertel des Universums bestehen.
Die Zeit seit dem Urknall errechneten die Forscher mit einem vergleichsweise jungen Verfahren, den sogenannten Gravitationslinsen. Sie beobachteten mit dem Hubble-Space-Teleskop das Licht der Galaxie B1608+656. Das muss auf seinem Weg zur Erde zwei dicht beieinander liegende massereiche Galaxien (G1 und G2 im Bild) passieren. Diese lenken durch ihre Schwerkraft das Licht wie eine Linse ab – daher der Begriff Gravitationslinse. Die Folge: Das Bild des Objekts gelangt über verschiedene Bahnen zur Erde und zeigt sich mehrmals am Himmel. Da diese Gravitationslinse nicht kreisrund ist, sind die einzelnen Abbilder (A-D) unregelmäßig verteilt. »In unserem Fall gab es vier Abbilder der Quelle, die ringförmig um die Linse herum erschienen«, erklärt Suyu.
Um die Entfernung der Quellgalaxie zu bestimmen, nutzten die Astronomen den Umstand, dass deren Helligkeit mit der Zeit variiert. Diese Veränderungen erreichen die Erde über die verschiedenen Bahnen aber nicht gleichzeitig, sondern teilweise erst mit einmonatiger Verzögerung. »Die Wege, die das Licht der Quellgalaxie durch die Linse nehmen kann, sind unterschiedlich lang«, erläutert Suyu.
Aus den Zeitdifferenzen und der Dichte der Linsengalaxien errechneten die Wissenschaftler die Entfernung von B1608+656 und bestimmten so mit bislang nicht gekannter Genauigkeit, wie schnell sich die Galaxie von der Erde entfernt. Aus dieser Fluchtgeschwindigkeit lässt sich die Expansionsrate des Universums und somit auch dessen Alter ableiten.
Zusätzlich gewannen die Forscher, deren Studie im »Astrophysical Journal« (Bd. 711, S. 201) veröffentlicht ist, auch Aufschluss über die mysteriöse Dunkle Energie, die vermutlich für die immer schnellere Ausdehnung des Weltalls verantwortlich ist. »Unsere Berechnungen haben ergeben, dass unser Universum zu 72 Prozent aus dunkler Energie besteht, wie auch immer sie aussehen mag«, so Suyu. »Der Rest ist die gewöhnliche Materie, die wir kennen, und Dunkle Materie.«
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