• Kultur
  • Beilage zur Leipziger Buchmesse

Untrennbar

TIER- UND MENSCHENRECHTE

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Film »Edge«, der am 11. März in verschiedenen Kinos in Deutschland angelaufen ist, wird die Geschichte der oft mit bekannten Hardcore-Bands verbundenen Tierrechtsbewegung erzählt, allerdings nur bis in die 70er Jahre zurückverfolgt. In veganen Kreisen gilt der australische Philosoph Peter Singer als Stichwortgeber, obwohl er mit seiner Abwertung sogenannter Behinderter äußerst umstritten ist. Dieser Geschichtslosigkeit will der Verlag Graswurzelrevolution mit einer kleinen Geschichte der emanzipatorischen Tierrechtsbewegung entgegentreten. Getreu dem politischen Selbstverständnis des Verlages beschränkt man sich auf die anarchistischen, pazifistischen und linkssozialistischen Wurzeln.

Ein ganzes Kapitel ist dem russischen Lebensreformer Leo Tolstoi gewidmet. Sein Bericht über den Besuch in einem Moskauer Schlachthof enthält bereits die Grundelemente einer Haltung, die sich in den meisten hier versammelten Texten widerspiegelt. Neben Tolstoi werden der französische Anarchist und Kämpfer der Pariser Kommune Elisée Reclus, der Pazifist Magnus Schwantje, die Feministin Clara Wichmann und der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) vorgestellt.

Letzterer gehörte zur linkssozialistischen Opposition gegen das NS-Regime und war an effektiven Widerstandsaktionen beteiligt, die auch im Buch dokumentiert sind. So wurde kurz vor der Einweihung einer Autobahntrasse in Deutschland auf eine Mauer die Parole »Nieder mit Hitler« mit einer Farbe gesprüht, die erst bei Tageslicht sichtbar wurde. Koffer wurden mit einem Stempelkissen präpariert, der beim Abstellen zunächst unsichtbare Sprüche gegen die Naziführung hinterließen. Daneben unterhielt der ISK in verschiedenen deutschen Städten ein Netz von vegetarischen Restaurants, die noch bis Ende der 30er Jahre eine wichtige Infrastruktur für den Widerstand bildeten. Allerdings zerstritt sich der kadermäßig organisierte ISK an der Frage, ob das NS-Regime besser mit Attentaten gegen Hitler oder durch Unterstützung des britischen Geheimdienstes bekämpft werden könne. Die zweite Option setzte sich durch.

Es gab aber auch, wie die Herausgeber betonen, Streiter für Tierrechtler, die Kriege unterstützten oder erklärte Antisemiten waren. Menschen, die sich für Tiere einsetzen, sind nicht per se bessere Menschen.

Wer das Buch gelesen und auch schon den Film »Edge« gesehen hat, wird erstaunliche Parallelen feststellen. Damals wie heute sind es vornehmlich junge Leute aus der Mittelschicht, die eine vegane Lebensweise favorisieren und für die Rechte von Tieren streiten. Manche sehen den Menschen als Ursache allen Übels an und landen bei extrem antiemanzipatorischen Politikgruppen. Andere betten ihre Aktivitäten in den Kampf gegen alle Unterdrückungsformen ein. Die in diesem Buch vorgestellten Tierrechtler sind der letztgenannten Strömung verpflichtet. Man vermisst allerdings Rosa Luxemburg und Theodor Adorno, die sich mit der Gewalt gegen Tiere beschäftigt haben und in anarchistischen Kreisen durchaus rezipiert wurden. Auch lassen sich Marx und Engels auf ein Naturbeherrschungsdogma nicht reduzieren.

Dieses Buch ist auch für Menschen interesssant, denen die emanzipatorische Politik nicht durch den Magen geht und die die Speisekarte für eine Privatsache halten.

Das Schlachten beenden! Zur Kritik der Gewalt an Tieren. Verlag Graswurzelrevolution, Münster. 192 S., br., 14,90 €

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