• Kultur
  • Beilage zur Leipziger Buchmesse

Ritter, Tod und Hexen

RICHARD DÜBELL: »Die Erbin der Teufelsbibel«

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Wir schreiben das Jahr 1648. Ganz Mitteleuropa liegt in Schutt und Asche. Endlich geht der verheerende Krieg seinem Ende entgegen. In Münster sitzen die europäischen Fürsten mit dem päpstlichen Nuntius zusammen bei Friedensverhandlungen, aber das große »Theatrum Europaeum« (Golo Mann) geht weiter, »Menschen und Vieh kämpfen miteinander um den letzten Grashalm« (Ricarda Huch). In der Sprache Richard Dübells klingt das alles noch so viel, viel verheerender, ja teuflischer. »Was den Dreißigjährigen Krieg betrifft, kann kein Autor sich so große Gemeinheiten ausdenken, wie sie begangen wurden,« schreibt er im Nachwort. Ja es scheint gerade so, als bäume sich das Böse, das Teuflische noch einmal mit aller Gewalt auf, als fegten die apokalyptischen Reiter über die Welt.– Wir kennen Dübells drastische Sprache aus den vergangenen Romanen, seine dick aufgetragenen Schilderungen von Gräueltaten und Grausamkeiten. Hier bietet er alles auf, was verrohter Kriegsfantasie entspringt. Zimperlich darf man da beim Lesen nicht sein. Plünderei folgt auf Hauen und Stechen, Entsetzen auf Folterungen und Hexenverbrennungen, Hunger auf Brände und Verwüstungen. Das Menschliche hat wenig Kraft, sich dazwischen zu entfalten. Aber – das wollen wir nicht unterschlagen – es steckt im Roman auch wieder manch augenzwinkernde Flunkerei des Autors mit seiner verrückten Idee eines riesengroßen Folianten mit Teufelsfratze, dieses gigantischen »Codex Gigas», der Teufelsbibel. Die haben die Prager Kaufmannsfamilien Khlesl und Langenfels zu hüten, damit sie kein weiteres Unheil anrichtet. Hinter der Teufelsbibel ist nicht nur der Jesuitenpater Giuffrido Silvicola wie der Teufel her, sondern auf sie ist auch die schwedische Königin Kristina, Tochter Gustav Adolfs, scharf. Deshalb schickt sie ihre Geliebte Ebba Sparre ins Kriegsgetümmel und in die Prager Wunderkammer. – Da haben wir sie alle wieder: Cyprian Khlesl und seine couragierte Frau Agnes. Cyprian und Andrej von Langenfels senden Brieftauben mit Nachrichten aus und sind immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Das gilt auch für Wenzel mit seinen Schwarzen Reitern. Dann ist da die nächste Generation der Kaufmannsfamilie, vor allem Alexandra Rytir. An Mut und Courage ihrer Mutter gleich, ist sie eine gewitzte Kämpferin, Reiterin und Heilerin.

Aus all den Kriegsschilderungen heben sich anfangs mühevoll, später aber dichter und spannender, die Handlungsstränge heraus, die vor allem ständiges freiwilliges oder unfreiwilliges Unterwegssein bedeuten, zu Fuß, mit Kutsche und zu Pferd. Da geht es von Prag nach Eger, nach Bamberg, nach Würzburg und wieder gen Osten nach Böhmen. Am Ende treffen alle in Prag beim letzten großen Kriegsgeschehen, der Eroberung der Stadt durch General Königsmarck, zusammen. Der soll sich, wie Richard Dübell mitteilt, dabei maßlos bereichert und umgerechnet 1,5 Milliarden Euro heimgebracht haben. Der Krieg nährt seine Leute.

Richard Dübell: Die Erbin der Teufelsbibel. Historischer Roman. Gustav Lübbe Verlag. 811 S., geb., 19,99 €

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