Gefangen in der eigenen Satzung

Ein Problem rollt auf den Vorstand der Linkspartei zu: Der alternative Mitgliederentscheid

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Am heutigen Sonnabend liegt dem Parteivorstand der LINKEN auf seiner Sitzung in Berlin nicht nur der Entwurf des lange erwarteten Parteiprogramms vor. Auch das Problem einer Urabstimmung über die künftige Führungsstruktur harrt noch der Lösung.
Mit Liebe gekocht – und doch ein Haar in der Suppe?
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2045 Stimmen waren es, die die Initiative »Für einen demokratischen Mitgliederentscheid« am Freitagnachmittag registrierte. »Wir gehen davon aus, dass morgen, wenn der Parteivorstand tagt, die Hälfte der notwendigen 5000 Stimmen erreicht ist«, meinte Steffen Harzer, Bürgermeister in Hildburghausen und einer der Initiatoren, am Freitagnachmittag. Gemeint ist damit: Genug Stimmen, dass die Parteiführung den Entscheid als ernstes Thema wahrnimmt und im Sinne der Befürworter eine Entscheidung trifft.

Die Initiative strebt die Urabstimmung zu einem Thema an, das bereits Gegenstand einer Urabstimmung ist – diese wurde vom Vorstand vor einer Woche beschlossen und soll am Montag beginnen. Sie befragt die Mitglieder der Linkspartei zur künftigen Doppelspitze, zur Doppelbesetzung auch des Bundesgeschäftsführers und eines Parteibildungsbeauftragten – in einem Atemzug, sprich in einer Antwort. Außerdem wird die Frage nach einer Urabstimmung über das Parteiprogramm gestellt.

Die Personalfrage ist durch den Rückzug von Lothar Bisky und Oskar Lafontaine von der Parteispitze verursacht. In einer Nachtsitzung im Januar hatte Gregor Gysi mit den führenden Vertretern der Partei in Bund und Ländern ein Gesamtpaket für die Neubesetzungen geschnürt. Dessen Doppelbesetzungsstruktur ist nun Anlass für Diskussionen.

Die Initiative von Steffen Harzer und seinen Genossen beabsichtigt, die gleichen Fragen zu beantworten, jedoch jede einzeln. Ihr Aufruf zu einem »demokratischen Mitgliederentscheid« legt den Kern ihres Unmuts über den ersten Entwurf offen. Den halten sie für »eingeschränkt demokratisch«, wie Harzer formuliert. Die Mitglieder könnten zu den verschiedenen Fragen durchaus verschiedene Antworten für angebracht halten, durch die Verknüpfung sind sie nun zu einem Bekenntnis gezwungen, das einem reibungslosen Ablauf des Parteitages im Mai dienen könnte, aber womöglich als Nötigung der Basis durch die Anhänger des vorliegenden Personaltableaus empfunden würde.

Wie die satzungsgerechte Entscheidung des Parteivorstandes aussehen könnte, das wissen die Initiatoren auch nicht so recht. Der Mitgliederentscheid Nummer eins ist auf dem Weg und nicht zurückzuholen, ob es einen zweiten zum gleichen Gegenstand geben kann, darüber sagt die Satzung nichts. Sie legt nur fest: »Über eine Angelegenheit, über die ein Mitgliederentscheid stattgefunden hat, kann frühestens nach Ablauf von zwei Jahren erneut abgestimmt werden.« Nein, »stattgefunden« hat die erste Abstimmung noch nicht. Aber ist es vorstellbar, dass die Parteiführung einen zweiten Entscheid zum gleichen Gegenstand zulässt? Andererseits: Darf sie ihn verhindern? »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, meint Steffen Harzer und deutet damit die Hoffnung auf eine pragmatische Lösung an. In einem Brief an den Vorstand appellieren die Initiatoren, trotz formaler Weichenstellung für den ersten Entscheid »zu prüfen, ob noch ein Konsens zwischen den beiden Initiativen möglich ist: Mitgliederentscheid ja und Einzelabstimmung ja«.

Ob die Parteiführung sich am heutigen Sonnabend überhaupt mit dem Problem beschäftigt, nicht einmal das ist sicher. Aussitzen kann sie es allerdings nicht. Selbst wer dem bereits eingeleiteten Entscheid die unliebsame Konkurrenz am liebsten vom Hals schaffen wollte, kann sich seiner Sache nicht sicher sein. Man stelle sich nur vor, die Mitglieder der Linkspartei würden auf die Kernfrage der Urabstimmung mit Nein stimmen – die nach der dauerhaften Etablierung einer Doppelbesetzung an der Parteispitze. Dann würde sich wohl mancher im Vorstand wünschen, der zweite Antrag auf eine Mitgliederbefragung hätte sich durchsetzen können. Denn das Junktim aller zu besetzenden Posten könnte darob verärgerte Parteimitglieder wegen einer fehlenden Alternative ja auch erst zu einem Nein verleiten.

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