Kurden bestehen auf gleichem Recht
Mehrere Millionen fordern bei Newroz-Feiern in der Türkei »demokratischen Frieden«
In der kurdischen Metropole Diyarbakir nahmen am Sonntag über eine Million, in Istanbul 500 000 Menschen an den Newroz-Feiern teil. Newroz, vielerorts im Nahen und Mittleren Osten gefeiert, steht historisch auch für die Überwindung von Unterdrückung und Tyrannei. Vor zwei Jahren waren während der Feierlichkeiten in der Türkei mehrere Menschen bei Übergriffen von Sicherheitskräften ums Leben gekommen. In diesem Jahr verliefen die Veranstaltungen dagegen weitgehend friedlich. Allerdings waren zuvor in der Provinzhauptstadt Sirnak 14 Personen verhaftet worden. Die Begründung: Es sei sehr wahrscheinlich, dass sie während des Newroz-Festes Straftaten begehen.
Das Motto des diesjährigen Festes hieß »Entweder demokratischer Frieden oder aufrechter Widerstand«. Vertreter der Demokratischen Friedenspartei (BDP), des Menschenrechtsvereins IHD, zivilgesellschaftlicher Organisationen und von Gewerkschaften sprachen sich dafür aus, das Fest als Auftakt einer friedlichen Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts zu nutzen. Dem entgegen steht die Repressionswelle gegen Politiker der im Oktober 2009 verbotenen prokurdischen Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) und ihrer Nachfolgerin, der BDP. In deren Verlauf wurden mehr als 1500 Personen verhaftet.
Kurdische Politiker fordern, dass die türkische Regierung ernsthafte Friedensschritte unternimmt. Stattdessen macht sie – vor allem um ihren internationalen Ruf besorgt – den Kurden minimale Zugeständnisse, während sie grundlegende Menschenrechte verletzt und militärische Operationen gegen die PKK-Guerilla ausweitet. Beklagt wird, dass die dokumentierten Fälle von Folter, extralegalen Hinrichtungen, brutalen Übergriffen auch gegen Kinder und Frauen in den kurdischen Provinzen der Türkei in den vergangenen drei Jahren zugenommen haben.
Die türkische Regierung müsse den inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan als Gesprächspartner anerkennen und die PKK in einen Friedensdialog einbeziehen, forderten Teilnehmer der Newrozfeiern in vielen Städten. Kritisiert wurden auch Verhaftungen und Razzien in kurdischen Kulturvereinen Belgiens, Frankreichs und Italiens. Eine von der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke entsandte deutsche Delegation erklärte: »Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesrepublik die Türkei mit Waffen beliefert und die europäischen Staaten den verlängerten Arm der türkischen Polizei spielen... Wirtschaftliche, militärische und geostrategische Interessen dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.«
Einen Ausweg aus der verfahrenen Situation könnte auch die Debatte um eine Änderung der türkischen Verfassung weisen. Der BDP-Parlamentsabgeordnete Hamit Geylani forderte in Hakkari, nahe der Grenze zu Irak, wo 150 000 Menschen an den Feierlichkeiten teilnahmen: »In der neuen Verfassung dürfen keine rassistischen Bestimmungen enthalten sein. Die Zehnprozenthürde, die jegliche parlamentarische Vertretung der Kurden verhindern soll, muss fallen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.