- Politik
- Personalie
Heilsbringer?
Gulbuddin Hekmatyar / Ein Kriegsherr will Afghanistan Frieden bringen
Man sei nach Kabul gekommen, um Afghanistan Frieden zu bringen, ließ Gulbuddin Hekmatyar einen Sprecher seiner Abordnung verkünden, die sich derzeit zu Gesprächen mit der Regierung Hamid Karsais in der afghanischen Hauptstadt aufhält. Sogar einen detaillierten Plan haben die Vertreter von Hekmatyars Hesbi-Islami (Islamische Partei) im Gepäck. Dessen wichtigste Forderung soll der Abzug aller ausländischen Truppen bis Juli 2010 sein.
Dennoch ist schwer zu glauben, dass der inzwischen 62-jährige Hekmatyar, der seit mehr als drei Jahrzehnten Krieg führt, zum Heilsbringer wird. Der sunnitische Paschtune wird bisweilen auch »Ingenieur« genannt, obwohl er sein Studium an der Kabuler Universität nicht abgeschlossen hat. Bevor er als frommer Muslim seine Islamische Partei gründete, soll Hekmatyar vier Jahre lang Mitglied der Demokratischen Volkspartei gewesen sein, die 1978 die Regierung in Afghanistan übernahm. Da war Hekmatyar jedoch schon im gegnerischen Lager: Ausgerüstet und unterstützt von Pakistan und den USA, bekämpften seine Anhänger die neue Regierung ebenso wie die 1979 zu deren Rettung entsandten sowjetischen Truppen.
Dem Abzug der Sowjetarmee 1989 und dem Sieg der Mudschaheddin 1992 folgten heftige Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppierungen. Hekmatyar verbündete und verfeindete sich mit nahezu jedem. Als machthungrig, listig und unbarmherzig beschrieben ihn seine pakistanischen Paten. Zweimal – 1993/94 und 1996 – war er für kurze Zeit Ministerpräsident in Kabul, das er in der Zwischenzeit durch Raketenangriffe fast vollständig zerstören lassen hatte.
1996 vor den Taliban nach Iran geflohen, rief Hekmatyar nach der USA-Invasion in Afghanistan zum Heiligen Krieg gegen die neuen Besatzer auf. Seine Truppen hätten Osama bin Laden Ende 2001 zur Flucht aus den Höhlen von Tora Bora verholfen, brüstete sich der Kriegsherr, der bis heute auf der Terrorfahndungsliste der UNO steht. Derweil verhandeln Präsident Hamid Karsai und seine westlichen Verbündeten hinter den Kulissen bereits seit Längerem mit Hekmatyars Vertretern – in der Hoffnung, den Widerstand gegen die Besatzer und ihre Schützlinge zu spalten und zu schwächen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.