Das Fachwissen einer Heuschrecke

Die Bahn hat mit Utz-Hellmuth Felcht seit gestern einen neuen Aufsichtsratschef

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bahn AG hat den früheren Chemie-Manager Utz-Hellmuth Felcht zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Felcht löst den früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ab, der knapp fünf Jahre lang an der Spitze des Konzernaufsichtsrats stand.

Interne Unternehmensorganisation und Schutz vor Wirtschaftskriminalität – diese Themen nannte Felcht kurz nach seiner Wahl am Mittwoch als wichtige Arbeitsfelder seiner Amtszeit. »Die Bahn muss da besser werden, wo sie in der Vergangenheit große Fehler gemacht hat«, sagte der 53-jährige Felcht in Frankfurt am Main.

Doch der neue Aufsichtsratschef hat schon jetzt so manche Kritiker. Weil sie bei ihm das »Fachwissen einer Heuschrecke« zur Ausschlachtung von Unternehmen verkörpert sieht, wollte etwa die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Leidig, in einer Fragestunde an die Bundesregierung im Bundestag gestern wissen, ob diese »glaubhaft vermitteln« könne, dass Felcht als DB-Aufsichtsrat »das öffentliche Interesse vertritt« und nicht in Interessenkonflikte mit seiner OEP-Managerfunktion gerate. Felcht ist weiter halbtags als Direktor für den im Verkehrsbereich engagierten Private-Equity-Fonds One Equity Partners (OEP) tätig.

Enak Ferlemann (CDU), der parlamentarische Staatssekretär von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, bezeichnete Felcht daraufhin als »ausgewiesenen Experten mit hoher fachlicher Kompetenz«, der als langjähriger Chemiemanager und Bahn-Auftraggeber ebenso wie andere DB-Aufsichtsräte aus der Wirtschaft mit »großen Erfahrungswerten« ausgestattet sei. Einen Widerspruch zu Felchts Engagement in mehreren Aufsichtsräten sieht er nicht: »Je mehr Wissen, umso besser für die Aufsichtsgremien.« Befangenheit liege nicht vor, so Ferlemann. Bei Interessenkoflikten müssten sich die Betroffenen der Stimme enthalten. Das Aktionsbündnis »Bahn für alle« hält dagegen den Interessenkonflikt für »unauflösbar«, wie Carl Waßmuth als Sprecher des Verbunds aus Umweltorganisationen, Globalisierungskritikern, Gewerkschaftern und Jugendverbänden am Mittwoch kritisierte. Als Vertreter der Kapitalanleger sei Felcht potenziell an einem niedrigen Verkaufspreis bei einem Bahn-Börsengang interessiert. Das Bündnis erinnerte auch daran, dass Ramsauer weiter am Börsengang der Bahn festhalte und Felcht als exzellenten Kenner des Börsengeschehens ansehe.

Der Aufsichtsrat ist mit je zehn Vertretern der Arbeitnehmer und vom Eigentümer Bund besetzt. Die Plätze der Eigentümerseite setzen sich zusammen aus vier Mandaten für Vertreter der Politik und sechs für Vertreter der Privatwirtschaft. Für diese sitzen im neuen Aufsichtsrat wieder der Ex-Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Krumnow, RWE-Chef Jürgen Großmann sowie Heinrich Weiss, Großaktionär beim Maschinenbaukonzern SMS und Verwaltungsrat beim Schienenfahrzeugbauer Bombardier. Neu hinzugekommen sind – neben Felcht – Knut Löschke, der bis 2009 Chef des Leipziger IT-Unternehmens PC-Ware war, sowie E.On-Vorstandsmitglied Christoph Dänzer-Vanotti.

»Da wird der Bock zum Gärtner«, kommentierte »Bahn für alle« die Zusammensetzung. Das Bündnis argumentiert, dass die Wirtschaftsmanager aus ihrer Haupttätigkeit heraus nicht an einer bürgernahen und klimafreundlichen Bahn interessiert seien. Auch bei den neuen Aufsichtsratsmitgliedern Dänzer-Vanotti und Großmann dürfte »das Interesse an Klimaschutz hinter den Konzerninteressen der Energieriesen zurückstehen«, argwöhnt Waßmuth. Großmann sei als Eigentümer der Georgsmarienhütte Lieferant von ICE-Achsen. Sabine Leidig sähe statt Lobbyisten aus Industrie und Finanzwelt lieber Persönlichkeiten aus Fahrgast-, Umwelt- und Sozialverbänden als Vertreter öffentlicher Interessen im DB-Aufsichtsrat.

Dirk Flege von »Allianz pro Schiene«, einem Zusammenschluss von Umwelt-, Fahrgast- und Verkehrsverbänden sowie Gewerkschaften, forderte vom neuen Bahn-Aufsichtsrat dagegen »eine andere Bonipolitik« und die Modifizierung der Unternehmensziele. Aufgrund einseitiger Rendite-Orientierung seien Ziele wie die Verkehrsverlagerung auf die Schiene bei den »Anreizen für das Top-Management« bisher zu kurz gekommen. Für einen solchen Kurswechsel gebe es jetzt eine einmalige Chance, erklärte Flege im Hinblick auf die neuen Köpfe an der Spitze von Aufsichtsrat, Konzernvorstand und Verkehrsministerium.

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