Der Rapsöl-Traktor fährt vor
Neue Offensive der Biotreibstoff-Lobby in Europa / EU sagt Förderung zu
Sie sind wieder da, die Biotreibstoffe. Drei Hersteller landwirtschaftlicher Maschinen aus Bayern und Baden-Württemberg schickten drei mächtige Traktoren nach Brüssel, um dort, vor der Landesvertretung Bayerns, ihr Anliegen zu verdeutlichen. Keine Protest-Traktoren sind es diesmal, wie Brüssel sie sonst oft zu sehen bekommt bei Aktionen von Europas Landwirten. Sondern drei Modelle, die mit einem Lebenssaft funktionieren, in dem einige die Zukunft der Verbrennungsmotoren sehen: dem Rapsöl.
Für diesen Treibstoff soll Werbung auf europäischer Ebene betrieben werden. Denn natürlich wollen die Firmen ihre neuen Traktoren auch verkaufen. Also wird hübsch gelobt. Rapsöl, die perfekte Lösung für umweltfreundlichen, Ressourcen schonenden Treibstoff. Zumindest in der Landwirtschaft. Der Bauer, sagt Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, könne damit einen weiteren Schritt in Richtung unabhängiges Wirtschaften machen. 60 Prozent des selbst angebauten Raps könne der Landwirt als eiweißhaltiges Futter den Tieren geben, 40 Prozent in den Tank schütten. Und zwar unvermischt, ohne herkömmlichen Diesel. »Es gibt 200 verschiedene Ölpflanzen auf der Welt, 50 davon in Deutschland – das müssen wir nutzen«, warb Weiger in der Diskussionsrunde vergangene Woche für den stärkeren Gebrauch reiner Ölkraftstoffe. Für die beste Nutzung der Biomasse müsse allerdings darauf geachtet werden, keine Monokulturen auf die Felder zu bringen. Weiger plädiert daher für Mischanbau und verstärkte Forschung in dem Bereich. »Wir sind erst am Anfang einer Entwicklung.«
Dem will Paul Hodson von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission nicht widersprechen. Hodson vertrat den eigentlich vorgesehenen Energiekommissar Günther Oettinger, der in letzter Minute absagen musste. Er spricht von den Biotreibstoffen als einem der Kernelemente des künftigen Energie-Mix im Verkehrswesen. »Sie wissen, dass die EU-Kommission für 2050 die Entkarbonisierung, also den weitgehenden Verzicht auf CO2, des Verkehrs anstrebt«, informiert Hodson. Folglich möchte die Kommission allen Alternativen zum derzeitigen Öl-basierten Brennstoff eine Chance geben. Wasserstoff, Strom und Biotreibstoffe – alle müssten auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft werden.
Clemens Neumann vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bestätigt den Willen, auch in Deutschland weiter auf Biotreibstoffe zu setzen. Er sieht in der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung dafür, die neue Technologie wettbewerbsfähig werden zu lassen. Hier sei die EU gefragt, die es derzeit noch erschwere, eine langfristig angelegte Steuerpolitik für alternative Treibstoffe zu planen. Ein solcher Anreiz sei jedoch notwendig, um immer mehr Verbraucher tatsächlich zum Wechsel der Motoren zu bewegen.
Kritische Stimmen zu den Biokraftstoffen sind auf der Veranstaltung nicht zu hören. Lediglich im Infoblatt »Biokraftstoffe. Fragen und Antworten« vom Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe im bayerischen Straubing werden im Vorwort Vorbehalte benannt. »Biokraftstoffe forcieren den Hunger in der Welt«, »Biokraftstoffe verursachen die Rodung des Regenwalds«, »Biokraftstoffe führen zu steigenden Lebensmittelpreisen« – auf solche negativen Schlagzeilen würden Medien die Diskussion meist reduzieren. Aus Sicht der Verfasser des Infoblatts natürlich völlig zu unrecht.
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