»Hilf mir, es selbst zu tun«

Halberstadt hat eine neue Werkstatt für Blinde

  • Uwe Kraus, Halberstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Diakonie Werkstätten Halberstadt beschäftigen mehr als 300 Mitarbeiter, die geistig, psychisch, seelisch, sinnes- oder mehrfach behindert sind. Die Einrichtung übernimmt Aufträge für Kunden aus allen Sparten der Industrie, des Handwerks und des Handels. Gearbeitet wird aber auch für Privatkunden.

»Hilf mir, es selbst zu tun, aber tue es nicht für mich«, der Satz steht für das Credo der Diakonie Werkstätten Halberstadt. Deren Leiter Jürgen Viertel sieht darin den Anspruch, für Menschen mit Behinderungen eine betreute Berufstätigkeit zu ermöglichen, die mehr bietet als allein Arbeit.

Für rund anderthalb Jahrzehnte fanden die Arbeits- und Berufsbildungsbereiche für sinnesbehinderte und taubblinde Menschen im Seitenflügel der Marie Hauptmann Stiftung ihren Platz. Nun heißt es, die Kisten zu packen und sich an neue Räume zu gewöhnen, denn die betreuten Mitarbeiter, die aus Sachsen-Anhalt und sogar aus den Nachbarländern kommen, können einen Raum als solchen nur schwer wahrnehmen. Erst nach und nach werden sie die »Werkstatt am Park« erkennen.

Spezielles Leitsystem

Die Einrichtung bietet als einzige Einrichtung Sachsen-Anhalts 43 behinderten Mitarbeitern mit diesem besonderen Förderbedarf eine in Räumlichkeit und Betreuung optimierte Spezialwerkstatt. »Die Arbeit in der Werkstatt orientiert sich an den Stärken und Kompetenzen unserer Mitarbeiter«, sagt Marion Rehfeldt, die den Bereich für hörsehbehinderte/taubblinde Menschen leitet. Dort werden vor allem Verpackungsarbeiten und leichte Steckmontagen erledigt. »Sie erleben Gemeinschaft und eine sinnvolle Tätigkeit. Sie werden in die Arbeitsprozesse integriert und bekommen so das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein. Wer nicht auf die Sinne Hören und Sehen zurückgreifen kann, der hat es unheimlich schwer, sich zu orientieren.« Hoch qualifizierte Mitarbeiter, kleine Arbeitsgruppen, die intensive Zusammenarbeit mit Fachdiensten, aber auch eine spezielle Ausstattung sowie die bauliche Gestaltung der »Werkstatt am Park« ermöglichen, dass sich die betreuten Mitarbeiter sicher und angstfrei bewegen können. Der Fokus bei der Gestaltung wurde zum einen speziell auf Leit- und Verweisersysteme für blinde Mitarbeiter gerichtet, zum anderen auf eine angemessene Farb- und Lichtgebung sowie Kontraste für jene Beschäftigten, die ein Rest-Sehvermögen haben. Ebenso wurden wichtige Aspekte der Akustik berücksichtigt.

Ohne Qualitätsabstriche

»Wir haben auf unnötige Komplexität, die verwirrend wirkt oder gefährlich werden könnte, verzichtet. Das verbliebene Hör- und Sehvermögen der Mitarbeiter wird unterstützt, ihre Selbstständigkeit wird gefördert«, erklärt die Psychologin Birgitt Stemmer. Dabei griffen die Diakonie Werkstätten Halberstadt auf ein Planungsbüro zurück, das seit über 30 Jahren für Menschen mit Behinderungen Wohnheime, Speisesäle und Werkstätten baut. Die Architekten Steffen W. Klima und Wolfgang Probst setzen dabei auf die Orientierung in allen Sinnesbereichen. Das betrifft Grundhelligkeit und Lichtfarben ebenso wie Leitfarben in den Etagen, spezifisch geformte Handläufe und reliefartige Hinweiszeichen auf Oberflächen.

Damit sich die Mitarbeiter mit den Abläufen und Regeln am späteren Arbeitsplatz vertraut machen können, ist dem Arbeiten in der »Werkstatt am Park« der Berufsbildungsbereich vorangestellt. Er gliedert sich in einen Grund- und einen Aufbaukurs von jeweils zwölf Monaten Dauer. »Der Arbeitsbereich unserer sinnesbehinderten und taubblinden Mitarbeiter unterscheidet sich weder in der Arbeitsgeschwindigkeit noch in der Qualität der hergestellten Produkte von anderen Werkstattbereichen«, sagt Jürgen Viertel. »Und das ist auch gut so!«

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