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Regulierung als Stückwerk

Strenge internationale Standards bleiben auf der Strecke

Die Regulierung der Finanzmärkte ähnelt dem Vorgehen beim Klimaschutz: Alle Staaten sind sich einig, dass dringend etwas geschehen muss. Doch es passiert herzlich wenig.

Die Finanzkrise ist vielerorts längst nicht ausgestanden. Die EU-Kommission genehmigte am Mittwoch der irischen Regierung, die teilverstaatlichte Anglo Irish Bank mit weiteren bis zu 10,7 Milliarden Euro zu stützen.

Doch da sich die Finanzmärkte wieder beruhigt haben, ist der internationale Reformelan bei der Regulierung des Finanzsektors, die künftige Krisen verhindern soll, erlahmt. Aus diesem Grund ermahnen US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, der britische Premier Gordon Brown, Kanadas Premier Stephen Harper und Südkoreas Präsident Lee Myung-Bak jetzt in einem Brief die G20-Staaten, angesichts »weiterer Risiken für die globale wirtschaftliche und finanzielle Stabilität« die vereinbarten Reformen zügig umzusetzen.

Hier liegt tatsächlich einiges im Argen. Zwar wurden die Krisentöpfe des Internationalen Währungsfonds für Staaten mit Zahlungsproblemen aufgestockt. Doch die Neuordnung der Regeln für den Finanzsektor ist bislang kaum vorangekommen. Dabei sollte jedes Finanzprodukt, jeder Finanzmarktakteur einer strengen Regulierung unterzogen werden, wie der Anspruch der G20-Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer nach dem Lehman-Schock im Herbst 2008 lautete. Nie sollte sich eine Situation wiederholen, in der strauchelnde Großbanken mit Steuermilliarden gerettet werden müssen.

Doch längst sind Großinvestoren wieder eifrig am Spekulieren. Und die Bankenlobby ist nach zeitweiliger Zurückhaltung aktiv geworden. Besonders ihre Drohung, zu strenge Vorschriften könnten die gerade in der Krise benötigte Kreditvergabe an die Wirtschaft gefährden, scheint zu ziehen.

Auch deshalb mahlen die G20-Mühlen langsam. Neue international verbindliche Regeln bezüglich Eigenkapital und Liquidität von Großbanken sollen erst bis Ende dieses Jahres erarbeitet werden; die Umsetzung in den jeweiligen Staaten dürfte sich dann noch einmal bis zu zwei Jahre hinziehen. Erste Vorschläge fallen zudem eher lax aus. Für hochriskante und komplexe Derivate sind bis 2013 Regeln geplant; der Handel soll dann nur über Börsen stattfinden, um wenigstens ein Minimum an Transparenz zu gewährleisten.

Während die Regulierung auf internationaler Ebene stockt, gibt es zahllose Detailvorstöße einzelner Regierungen. Das Problem hierbei ist, dass diese »ihren« Finanzsektor möglichst schonen wollen und so Standards auf niedrigstem Niveau zu erwarten sind. In diesem Kontext ist auch die geplante Bankenabgabe der deutschen Regierung zu verstehen, die eine Rundumversicherung für hiesige Banken anstrebt. Derartige Ideen wurden von der G20 aus gutem Grunde bislang nicht diskutiert, denn für das Ziel, gefährliche Finanzgeschäfte zu unterbinden, wäre dies eher kontraproduktiv. Schweden hat bereits eine Miniabgabe in Höhe von 0,018 Prozent der Bilanzsumme der jeweiligen Bank. US-Präsident Obama will ebenfalls eine Bankenabgabe – allerdings um die Geldhäuser an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Die schwedisch-deutsche Versicherungslösung gaukelt Sicherheit vor, die nur eine strenge Rundumregulierung schaffen könnte. Zudem müssten Finanzkonzerne geschrumpft werden, damit von ihnen kein »systemisches Risiko« mehr ausgeht. Dies möchte Barack Obama in den USA durchsetzen; ob er sich im Kongress und gegen Lobbywiderstand durchsetzen kann, bleibt indes abzuwarten.

Die CDU-geführte Bundesregierung hat daran keinerlei Interesse. Sie möchte, dass deutsche Großbanken bei der Neuordnung der Finanzmärkte vorne mitmischen. Schon die Große Koalition half der Deutschen Bank zumindest indirekt bei der Übernahme der Postbank. Und die Staatshilfen für die Commerzbank dienten auch dazu, dass diese die Übernahme der Dresdner Bank schultern kann und so ein zweiter Megaplayer in Frankfurt am Main entsteht.


Eckpunkte

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Eckpunkte für schärfere Bankenregeln beschlossen. Die Pläne im Einzelnen:

Bankenabgabe: Alle deutschen Kreditinstitute sollen eine Zwangsgebühr in einen Krisenfonds einzahlen. Die Rede ist von insgesamt 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Wie viel eine Bank zahlen muss, soll sich am systemischen Risiko, der Bedeutung der Bank für Branche und Volkswirtschaft, orientieren. Berücksichtigt werden soll neben dem Umfang der Verpflichtungen die Vernetzung eines Instituts am Finanzmarkt. Gegebenenfalls sollen »weitere Indikatoren« herangezogen werden. Der geplante Stabilitätsfonds soll als Sondervermögen des Bundes außerhalb des Haushalts errichtet und von der Finanzmarktstabilisierungsanstalt verwaltet werden, die auch für den Bankenrettungsfonds SoFFin zuständig ist.

Restrukturierung: Gerät eine Großbank in Schieflage, soll die staatliche Aufsicht noch vor einer Insolvenz eingreifen können und eine Bank zur Restrukturierung notfalls auch zerschlagen können. »Systemrelevante« Teile einer Bank sollen auf einen privaten Dritten oder auf eine staatliche »Brückenbank« übertragen werden können. Sie sollen fortgeführt, die restlichen Teile könnten liquidiert werden.

Reorganisation: Eine Großbank soll bei drohender Pleite mit einem neuen »Reorganisationsverfahren«, das sich am Insolvenzplanverfahren anlehnt, rasch saniert werden können. Aktionäre werden einbezogen, sie sollen eine Sanierung aber nicht vereiteln können.

Verjährung: Bankmanager werden stärker in die Pflicht genommen. Die Haftungsfrist bei Pflichtverletzungen der Geschäftsführung soll bei börsennotierten Instituten auf zehn Jahre verdoppelt werden. Schadenersatzansprüche gegen Manager sollen auch dann möglich sein, wenn Verfehlungen erst spät bekannt werden oder die personelle Zusammensetzung von Vorständen und Aufsichtsräten sich geändert hat. dpa/ND

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