Akrobaten des Zwerchfells

Wie man Menschen zum Lachen bringt, lernt man auf der Clownschule in Mainz

  • Robert Luchs, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Mögen sie mit noch so vielen Talenten gesegnet sein – auch Clowns fallen nicht vom Himmel. Auch sie müssen lernen, ihre Begabungen zu ordnen, ihre handwerklichen Fähigkeiten und ihre mimischen Talente zu schulen, ihren Hang zum Komischen zu vervollkommnen. Auch Clowns müssen ihre Persönlichkeit entwickeln, und das können sie am besten unter der fachkundigen Anleitung von Dozenten, die selbst Clowns, Musiker, Schauspieler, Pantomimen und Artisten waren oder noch sind. Vor 16 Jahren entstand in Mainz eine der wenigen Schulen dieser Art.
Aus der Renaissance des Varieté in vielen deutschen Städten ergeben sich für den Clown-Nachwuchs aus Mainz gute Chancen.
Aus der Renaissance des Varieté in vielen deutschen Städten ergeben sich für den Clown-Nachwuchs aus Mainz gute Chancen.

Dass die Schule für Clowns ausgerechnet auf einem ehemaligen Militärgelände der US-Armee eingerichtet wurde, klingt wie ein Witz. In einem Casino, wo sich Offiziere und GIs von Geländeübungen erholten, vollführen Clown-Schüler heute Attacken auf das Zwerchfell. Ihre Ausbildung ist inzwischen staatlich anerkannt, denn selbst da, wo Clowns mit umwerfender Spontaneität zu Werke gehen, muss alles seine Ordnung haben. Humor ist angeboren, aber der Weg zu einer bühnenreifen clownesken Figur ist weit. Da muss monatelang an der szenischen Akrobatik gearbeitet, müssen Mimik vertieft und Stimme ausgebildet werden.

Besser als 30 Esel

Schulleiter Michael Stuhlmiller zitiert ein orientalisches Sprichwort: »Die Ankunft eines guten Clowns in einer Stadt ist wertvoller als dreißig mit Medikamenten beladene Esel.« Stuhlmiller, Musiker und Schauspieler und Dozent für Clowntheater und Clowntheorie – das gibt es wirklich –, schätzt die heilende Wirkung einer Clownvorführung hoch ein.

Denn parallel zur künstlerischen Arbeit hat die Mainzer Schule theaterpädagogische Projekte in der Behindertenarbeit und Theaterarbeit mit und für Menschen in der Psychiatrie veranstaltet. Stuhlmiller: »Der Clown ist somit mehr als eine bloße Kunstfigur, die nur im Theater lebt.« Die Ausbildung umfasst vier Semester und ein einjähriges vertiefendes Studium. Allmählich ist die Klassenstärke auf etwa zwanzig Schüler aufgestockt worden. Die Ausbildung beginnt mit der Vermittlung von Grundtechniken aus den Bereichen Clownerie, Schauspiel, Musik und Artistik. Zur Vertiefung wählt jeder Schüler noch eine besondere Technik wie zum Beispiel Einradfahren oder Jonglage. Im dritten Semester soll jeder Schüler so weit sein, dass er mit seinen eigenen Spielfiguren handwerklich und ausdrucksstark auf der Bühne das Publikum beeindrucken kann. Im vierten Semester endet die Ausbildung vorerst mit der Erarbeitung von einer oder mehreren Szenen und Nummern und einer gemeinsamen Abschlusstournee.

Die Körpersprache richtig einzusetzen, gehört zur hohen Schule der Clownerie. Erreicht er hierbei ein hohes Maß an Vollkommenheit, dann kann der Clown auch die Unvollkommenheit besonders virtuos darstellen. Das tollpatschig erscheinende Agieren des Clowns demonstriert das Scheitern und verwandelt sich zugleich in eine Technik des immer neuen Probierens. Dieses allzu Menschliche ist es wohl, das den Zuschauer anrührt oder ihn herzlich lachen lässt.

Knappes Budget

Wie kaum in einer anderen Ausbildung wird der Charakter des Schülers geformt: »Clown-Schüler entwickeln ein starkes Selbstbewusstsein, finden zu sich selbst und lernen, sich mit Stärken und Schwächen zu zeigen«, erklärt der Schulleiter. Daher ist die künstlerische Ausbildung auch eine gute Basis für das Berufsleben – im Bereich Entertainment, Kleinkunst, Varieté, Kabarett oder Zirkus. Insbesondere die Renaissance des Varieté in vielen deutschen Städten bietet dem Clown-Nachwuchs aus Mainz gute Chancen. Manche finden sich auch als Unterhalter auf Kreuzfahrtschiffen wieder, andere arbeiten im sozialtherapeutischen Bereich.

Zwar ist der Schulabschluss – wie anderswo auch – noch keine Garantie für einen Job. Aber der gute Name der Schule sorgt dafür, dass die Möglichkeiten für die Absolventen recht gut sind.

Für den vergleichsweise großen Aufwand mit fünf hoch qualifizierten Dozenten ist das Budget ziemlich knapp. Ein Förderverein bemüht sich um Spenden, doch zwingen die bescheidenen Mittel Stuhlmiller und seine Truppe zu äußerster Sparsamkeit. Lustig ist das nicht immer, doch die Clowns lassen sich nicht unterkriegen – frei nach dem Motto: Es gibt keinen Tag, der schlimm genug ist, das Lachen zu vergessen.

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