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Gleich und Gleich

Jo Jastram und Heinrich Tessmer in Berlin

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 4 Min.

Das schöne Spiel, das der Maler mit uns treibt: die Lust des Wiedererkennens entfachen. Heinrich Tessmer malt Tiere, Antilopen, Pferde wohl vor allem, Stiere, Hunde, auch Reiter samt Ross. Wild oder in skurrile Pose verdreht oder statisch, nur der Atem und der dampfende Schweiß der Flanken zeigen Bewegung. Mal sind die Figuren oder ihre Torsi umschattet, dass sie in ihren Konturen nur mehr zu erahnen sind, mal werfen sie die wuchtige Präsenz wie ein Schlaglicht aus der geheimnisvollen Finsternis heraus. Was aber da aufleuchtet, weiß, gelb, ocker, rot in faserigen Fetzen oder ausgewischten Umrissen, aus Räumen in allen Schwarz- und Grau-Tönen der Nacht, sind Lebenskämpfer mit ihren Hoffnungen, Ungewissheiten, Ängsten, Leiden. Was da drängt, es ist Natur, Lebendiges, in verschiedenerlei Bestrebungen, Konflikten, Stimmungen. Es sind Kräfte, Mächte, die Vernunft und ihre Gegenspieler. Das Metaphorische entfaltet eine Macht, die den Betrachter zum Bild hin ansaugt, hineinzieht, verwickelt in psychogrammatische Momente, ideelle Konflikte, existenzielle Situationen. Und zugleich mit dem Sinnbildlichen sind verwegene Komposition und überraschend eingesetzte, immer außerordentlich delikat wirkende Farbgebung die Vektoren der Sogkraft. Und das Sensuelle erfährt ein Crescendo durch hie und da in undeutbarer Geste obenaufgeworfene, signalhaft grelle Schlängel- und Zackenlinien.

Auch im Porträt, insbesondere im zumeist dialogfordernden Selbstporträt, ist Heinrich Tessmer, Jahrgang 1943, ein Meister. Er vermag mit Licht zu spielen, mit dem Aufblitzen von Helligkeiten aus dramatischem Dunkel, dass man die Bildnisse als noble Anverwandlungen Rembrandtscher Manier genießt. Oder, ganz anders, in der »Mondfrau« von 2010, ein flächig angelegtes, nur in äußeren Konturen gehaltenes Gesicht, das an Porträts Pablo Picassos denken lässt. Helles und dunkles Blau vermischen sich mit dem Mondgelb. – Kontinuität und Wandel.

Das Wunder der Farbklänge überdies in den Landschaften, in den prachtvoll orientalisch-warmen Visionen vom Menschen im gebauten Raum, in den Ansichten städtischer Architektur – oh Du perlengleiches Venedig! –, in den erotischen Szenen oder den Mythen aufnehmenden – eine reiche Motivwelt von eigenwilligem Zugriff.

In der Ausstellung der renommierten Berliner Galerie Sophien Edition kommen die Gemälde Tessmers mit figürlichen Bronzeplastiken zusammen, die beider Ausdruckskraft sogar noch steigern: mit Arbeiten Jo Jastrams. Die formale und geistige Korrespondenz der Werke ist überraschend wie offensichtlich. Diese verblüffende und mit allen Körperfasern zu erfahrende Verwandtschaft zu beschreiben, fordert geradezu Überschwang im Sprachlichen heraus. Selten glückt eine Doppelausstellung auf diese doppelte Weise. Das Einfache, weshalb vor allem die Kopplung derart gelingt: die gleiche Haltung zum Menschen, zur Welt. Mitteilung und Frage zugleich.

Jo Jastram, Jahrgang 1928, wählt als Bildhauer, von Arnold und Drake kommend, für seine Darstellungen eben vor allem Menschen und Tiere zu Akteuren. Hohe Porträtkunst, psychologisch eindringlich, beispielsweise das Porträt Jutta Büttner, 1995. Und auch das Tier, Pferde zumeist und das ganz besonders, ist ebenfalls Stoff- und Ausdrucksträger, auch auf metaphorischer Ebene. Das Pferd, die Kreatur überhaupt, sich voller animalischer Kraft aufbäumend, stürzend, trauernd, stolz, lustvoll, bockig, glücklich – wie der Mensch. Der Homo humanicus, ob beschwingt, exzentrisch, widerstehend, scherzend, nahezu in all seinen Facetten des Seins und des Schicksals. Und auch Jastram – wie Tessmer – verdankt viele seiner Inspirationen dem Reisen. Das Thema Boote ist mit einem reizenden Liebespaar (2005) wieder aufgenommen.

Man kennt und schätzt Jo Jastrams Handschrift, auch den unterschwelligen Humor darin: Das Giacometti-hafte des kulissenschaffenden, den geografischen Ort konkretisierenden »Beiwerks« steht zu den sich manchmal zeltartig flach in die Breite ziehenden Betonungen der Hauptfigur als Kontrapunkt. Eine Gestaltungsweise, die in der Plastikgeschichte einzigartig ist. Jastram hat hierin beispielsweise mit dem »Kauernden Usbeken«, 1962, dem »Afrikanischen Händler«, 1983, oder mit der etwa halbmeterhohen Bronze »Alter Narr«, 2006, bildhauerische Ikonen geschaffen. Und was die reiterhosenartigen Oberschenkel des leicht gebeugt stehenden Alten bläht, das ist, ganz sanft, Ironie.

Ironie des Schicksals: Die beiden einst zur gleichen Zeit an der Kunsthochschule Weißensee lehrenden Professoren hatten bislang noch nie eine gemeinsame Ausstellung. An dem Glücksfall der direkten künstlerischen Zwiesprache teilzuhaben, sollte man sich nicht entgehen lassen.

Galerie Sophien Edition, Sophien-straße 24, Berlin: Jo Jastram, Bronzen, Heinrich Tessmer, Malerei. Bis 8. Mai, Mi-Sa 13-18 Uhr.

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