Ungarn im Griff der Rechten
Absolute Mehrheit für Orbáns FIDESZ / Jobbik-Extremisten auf Anhieb fast 17 Prozent
Budapest (Agenturen/ND). Die Wähler hätten für »Ungarns Einheit, Sicherheit und Ordnung« gestimmt, sagte der rechtskonservative Politiker in der Nacht zum Montag in Budapest. Es sei ein Sieg »für Ungarn und die Zukunft«. Er sei sich bewusst, dass er als Ministerpräsident vor einer »riesigen Herausforderung« stehen und »die Hilfe jedes ungarischen Bürgers benötigen« werde.
Der heute 46-jährige Orbán war von 1998 bis 2002 schon einmal Regierungschef. Seiner Partei wird zugetraut, sich beim zweiten Durchgang der Wahl von ihrer derzeitigen absoluten Mehrheit auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu steigern. Am 25. April wird in den Bezirken abgestimmt, in denen kein Kandidat in der ersten Runde die absolute Mehrheit erzielte.
Die FIDESZ-Partei kam in der ersten Runde auf 52,7 Prozent, die in den vergangenen acht Jahren regierenden Sozialisten erreichten nur 19,3 Prozent. Erstmals zog die rechtsextreme Jobbik-Partei mit einem Stimmenanteil von 16,71 Prozent ins Parlament in Budapest ein. Auch der links-ökologischen Partei »Eine andere Politik ist möglich« (LMP) gelang mit 7,4 Prozent erstmals der Sprung in die Volksvertretung. Sie erwies sich als Sammelbecken für junge und kritische Wähler, die mit dem restlichen Parteienangebot nichts mehr anzufangen wussten.
Von den 386 Sitzen im ungarischen Parlament wurden am Sonntag bereits 265 Listen- und Direktmandate vergeben. 206 davon erhielt FIDESZ, 28 die USP, 26 Jobbik und fünf die LMP.
Von der politischen Bühne abgetreten sind hingegen zwei Parteien, die bei der Wende vor 20 Jahren eine Schlüsselrolle gespielt hatten: das konservativ-liberale Ungarische Demokratische Forum und der links-liberale Bund Freier Demokraten. Beide hatten in jedem Parlament seit der politischen Wende eine eigene Fraktion – im neuen haben sie nicht mehr einen einzigen Abgeordneten. Die Wahlbeteiligung betrug 64,3 Prozent.
Der künftige Ministerpräsident Orbán ließ bislang nicht wirklich erkennen, was er vorhat. Manche Kommentatoren in Ungarn befürchten, dass er sich von jenen autoritären Instinkten wird leiten lassen, die er schon in seiner ersten Amtszeit gezeigt hatte. Andere hoffen wiederum darauf, dass er seine Machtfülle dazu nützen wird, um dem Land das zu geben, was es braucht: eine modernere, wirtschaftsfreundlichere Verwaltung und bessere Gesetze.
Befürchtungen einer rechten Radikalisierung der Politik weckt der Wahlerfolg der rechtsextremen Jobbik, die im Jahr 2003 als Partei gegründet wurde. Enttäuschte Jugendaktivisten der rechtsextremen Ungarischen Gerechtigkeits- und Lebenspartei des antisemitischen Schriftstellers Istvan Csurka und rechtslastige Funktionäre der Hochschülerschaft träumten von einer Revolution von rechts. Die Niederlage der rechtskonservativen FIDESZ von Orbán im Jahr zuvor hatte sie sie in der Ansicht bestärkt, dass noch radikalere Töne nötig wären. Als sich im Herbst 2006 rechte Regierungsgegner nach der »Lügenrede« des sozialistischen Regierungschefs Ferenc Gyurcsany in Budapest Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, schweißte dies das neue rechtsradikale Lager zusammen. Die Gründung der Ungarischen Garde und die Hass-Rhetorik gegen die angeblich »kriminellen Zigeuner« beschleunigten den Aufstieg der Jobbik. Die Garde wurde schließlich im vergangenen Jahr gerichtlich verboten, tritt aber immer noch in Erscheinung. Bei den EU-Wahlen im Juni 2009 gewann Jobbik bereits knapp 15 Prozent der Stimmen.
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