Politik nach Kassenlage
Zu einem festlichen Dankkonzert mit den Dresdner Philharmonikern hatte Sachsens Kultusminister Roland Wöller Lehrerinnen und Lehrer zu Beginn des Jahres eingeladen. Eine Geste, mit der er sich bei den Pädagogen für deren »großen persönlichen Einsatz« bedanken wollte.
Zwei Monate später protestierten sächsische Lehrerinnen und Lehrer zu Tausenden vor Landtag und Finanzministerium, um ihrem Unmut über die Personalpolitik des Kultusministers Luft zu machen. Denn zur Überraschung aller gibt es plötzlich zu viele Lehrer in Sachsen. Das, so behaupten Finanz- und Kultusminister übereinstimmend, liege am Bezirkstarifvertrag aus dem Jahr 2005. Der endet am 31. Juli 2010 und mit ihm die Teilzeitbeschäftigung für die Pädagogen in Mittelschulen und Gymnasien. Diese könnten nun ihre Vollbeschäftigung beanspruchen. Zwar wollen das viele gar nicht, dennoch rechnet der Kultusminister mit rund 2000 Stellen mehr als im Haushalt vorgesehen. Sachsen müsse, wie andere Länder auch, kräftig sparen. GEW und Sächsischer Lehrerverband rechnen dem Kultusminister dagegen vor, dass seiner eigenen Statistik zufolge bis 2020 in Sachsen 15 000 Lehrer altersbedingt aus dem Schuldienst ausscheiden und daher neue Lehrkräfte gebraucht werden.
Was Sachsen droht, ist also ein Lehrernotstand und kein Überangebot an Lehrkräften. Den Notstand beim Personal zu beheben, bildet der Freistaat selbst viel zu wenig Pädagogen aus. Zudem kann er nicht damit rechnen, Lehrernachwuchs aus anderen Bundesländern zu gewinnen. Sachsen verbeamtet seine Lehrer nicht und bietet demzufolge kaum lukrative Verdienstmöglichkeiten. Mit Teilzeitarbeit als Regel werden sich die Chancen, den Lehrernotstand abzuwenden, noch weiter verringern. Es rächt sich, dass Sachsens Kultusministerium Personalpolitik nach Kassenlage betreibt und über kein langfristiges Personalkonzept im Lehrerbereich verfügt.
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linksfraktion im sächsischen Landtag.
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