Österreich bejubelt Quoten-Urteil
EuGH bestätigte Uni-Zugangsbeschränkungen
Die österreichischen Medizin-Unis sind schon auf den großen Ansturm vorbereitet. Anfang Juli werden sich tausende Abiturienten dem Auswahlverfahren für die Vergabe der raren Studienplätze stellen. Unter ihnen werden wieder viele Deutsche sein. In Wien etwa wird etwa ein Drittel der 5500 Bewerber, die sich schon angemeldet haben, aus Deutschland kommen. In Innsbruck, das geografisch besonders günstig liegt, haben gar zwei Drittel der 2700 Bewerber ein deutsches Reifezeugnis. Die Abiturienten aus dem Nachbarland erfüllen zwar nicht die strengen Kriterien des Numerus Clausus daheim, können aber den österreichischen Maturanten durchaus das Wasser reichen. Mit den Tests allein, die zur »Abwehr der NC-Flüchtlinge« eingeführt worden sind, wäre ein Massenansturm auf die österreichischen Medizin-Unis daher nicht zu verhindern.
Deshalb gibt es zusätzlich die Quotenregelung: Demnach sind 75 Prozent der Medizin-Studienplätze für Österreicher reserviert, 20 Prozent für EU-Bürger und fünf Prozent für Nicht-EU-Bürger. Daran hat sich nicht nur Deutschland gestoßen. Auch die EU-Kommission betrachtete die 2006 eingeführte Quote als Verstoß gegen den freien Hochschulzugang. Nach langwierigen Verhandlungen hat Brüssel den österreichischen Dammbau gegen die deutschen Bewerber zumindest bis zum Jahr 2012 als Übergangslösung toleriert und ein bereits beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angestrengtes Verfahren auf Eis gelegt.
Seit Wochenmitte machen sich die Österreicher freilich Hoffnung, dass das Provisorium zur Dauerlösung werden könnte. Denn der EuGH hat eine ähnliche Regelung in Belgien zur Ablehnung französischer Studenten unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt. Wenn es der »Schutz der öffentlichen Gesundheit« erfordere, können beim Medizinstudium Zugangsbeschränkungen gerechtfertigt sein. Genau mit dieser Gefahr hatte Wien immer argumentiert. Denn die aus Deutschland kommenden Medizinstudenten kehren nach Abschluss des Studiums meist wieder zurück in die Heimat, so dass Österreich ein Ärztemangel drohe. »Wir brauchen die Quotenregelung, um den medizinischen Nachwuchs und die Gesundheitsversorgung sicherzustellen, und dieses Argument wurde nun vom EuGH anerkannt«, freut sich denn auch die Wiener Wissenschaftsministerin Beatrix Karl über das Luxemburger Urteil.
Keinen Sinn erkennt sie für Österreich übrigens in der EuGH-Empfehlung an Belgien, ausländischen Medizinstudenten den Verbleib im Land nach Studienabschluss schmackhaft zu machen: Deutschland leide nämlich selbst unter Ärztemangel und werbe massiv um ausländische Ärzte beziehungsweise um die an Österreichs Universitäten ausgebildeten deutschen Mediziner.
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